»Wir leiden immer noch«

Kino-Amokläufer von Aurora steht im US-Staat Colorado zweieinhalb Jahre nach der Tat vor Gericht

  • Valerie Hamilton
  • Lesedauer: 3 Min.
Im US-Staat Colorado steht ein mutmaßlicher Amokläufer vor Gericht. Angehörige fürchten, dass die Frage nach seiner Schuldfähigkeit das Schicksal der Opfer in den Schatten drängt - und alte Wunden aufreißt.

Centennial. Zweieinhalb Jahre nach dem blutigen Amoklauf in einem Kino im US-Staat Colorado wird dem mutmaßlichen Täter der Prozess gemacht. Der heute 27-jährige James Holmes soll während der nächtlichen Vorführung eines neuen »Batman«-Films in Aurora zwölf Menschen erschossen und 58 verletzt haben. Die meisten Opfer waren junge Leute. Zum Auftakt in Centennial lief am Dienstag die langwierige Geschworenenauswahl an. Laut Gericht ist mit den Eröffnungsplädoyers nicht vor Juni zu rechnen, mit einem Urteil kaum vor Jahresende.

Sollte Holmes für schuldig befunden werden, droht ihm die Todesstrafe. Die Verteidiger haben in seinem Namen auf »nicht schuldig« plädiert - wegen Unzurechnungsfähigkeit. Darum wird sich der Prozess drehen: War der Schütze zur Tatzeit schuldfähig, kann er zur Rechenschaft gezogen werden? Die Schwierigkeit des Prozesses und die Verantwortung des Gerichts spiegeln sich in der Jury-Auswahl wider. Die Geschworenen werden aus einer Gruppe von 9000 Kandidaten ausgesucht: Das ist einer der größten Jury-Pools in der Rechtsgeschichte der USA. Jeder muss zunächst einen Fragebogen ausfüllen, die direkte Befragung der Kandidaten wird erst Mitte Februar beginnen.

Für die Angehörigen ist das Verfahren äußerst schwierig. Megan Sullivan setzt sich manchmal in den Kinosessel, in dem ihr Bruder Alex erschossen wurde. Er feierte seinen 27. Geburtstag mit der »Batman«-Vorstellung. Monatelang werde die Gemeinschaft das Trauma des Amoklaufs wieder durchleben müssen, fürchtet die 28-Jährige.

Die Tat hätte einem Horrorfilm entspringen können: Mit Gasmaske und Schutzweste drang der Täter am 20. Juli 2012 in das Kino ein, warf Rauchbomben, versprühte Tränengas. Einige Kinobesucher glaubten zunächst, alles sei nur ein Werbegag - bis die tödlichen Schüsse durch das Kino peitschten. Zehn Menschen starben noch im Kino - unter ihnen ein sechsjähriges Mädchen. »Unsere Gemeinschaft leidet immer noch«, sagt Tiina Marie Coon, deren Sohn Tanner den Amoklauf überlebte. Gemeinsam mit Megan Sullivan kämpft sie für ein dauerhaftes Denkmal für die Opfer.

Medienberichten zufolge hat die Verteidigung im Vorfeld des Prozesses angeboten, dass sich ihr Mandant schuldig bekennt - wenn die Staatsanwaltschaft im Gegenzug auf die Forderung nach der Todesstrafe verzichtet. Doch aus einem solchen Deal wurde bisher nichts.

Die Ankläger wollen betonen, dass Holmes seine Tat monatelang plante, sich ein Waffenarsenal sowie Tausende Schuss Munition zulegte und seine Wohnung mit mehreren Sprengfallen versah, die ganz offensichtlich für die Ermittler gedacht waren. Das lasse auf scharfen Verstand und Schuldfähigkeit schließen.

Die Verteidigung sieht das anders: Holmes habe den Amoklauf in einer psychisch besonders schwierigen Phase begangen. So habe er sich einer Psychologin offenbart - diese habe die Universität über seine Gefährlichkeit unterrichtet. Der Schütze hatte sich der Polizei mit dem Hinweis ergeben, er sei der Bösewicht und »Batman«-Gegenspieler »Joker«. dpa/nd

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