Ist wieder der Fußball schuld?
»Hooligans Elbflorenz« und rechte Kameradschaften: Zu lange wurde Dynamo Dresden mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem allein gelassen
»Heute ist ein guter Tag für alle friedlichen Fußballanhänger«, sagte Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei am Donnerstag. Man könnte es sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs gegen die »Hooligans Elbflorenz« so leicht machen wie Malchow. Gewalt sollte schließlich jeder ablehnen, oder? Und überhaupt: Dresden? Dynamo? Das sind doch sowieso die Schlimmsten.
Aber sind Hooligangruppierungen wirklich kriminelle Vereinigungen wie Terroristen und Mafia-Clans, weil sie sich zu verabredeten Prügeleien treffen? Das Urteil von Karlsruhe und Malchows Meinung zeigt vielmehr eines deutlich: Bei lange bekannten, aber sträflich vernachlässigten Problemen wie der Rückkehr der Hooligans in den Fußball und mit »HoGeSa« (Hooligans gegen Salafisten) in den gesamtgesellschaftliche Raum soll nun Härte demonstriert werden. »Jetzt kann die Polizei gegen solche kriminellen Vereinigungen viel massiver und wirkungsvoller vorgehen«, freut sich Malchow.
Man könnte auch über Aachen, Braunschweig oder Dortmund reden. Aber gerade das Beispiel Dresden zeigt, wie die Politik und ihre ausführenden Sicherheitsorgane mit ihrer Tatenlosigkeit die Lage in der sächsischen Landeshauptstadt und beim Fußballklub SG Dynamo haben eskalieren lassen. Viel zu lange musste die Koordinationsstelle Fanprojekte um die Finanzierung eines Standortes in Dresden kämpfen. Dem Land Sachsen war sozialpädagogische Arbeit mit jungen Fans im Rahmen des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit nichts wert. Erst im September 2002, nach Ausschreitungen bei einem Spiel zwischen Dynamo und dem Lokalrivalen Dresdner SC, konnte die Arbeit langsam beginnen.
Seit diesem Zeitpunkt führte die Dresdner Polizei auch eine Kartei unter dem Namen »Hooligans Elbflorenz« - mit rund 180 Namen. Konsequenzen gab es aber erst nach einem Angriff von rund 80 Personen auf türkische Imbissläden in der Dresdner Neustadt nach dem Halbfinalspiel bei der EM 2008. Hier, wie auch bei »Hooligans gegen Salafisten«, drängt sich der Verdacht auf, enge Verbindungen in die gut organisierte rechte Szene nicht nur unterschätzt zu haben. Schon zweieinhalb Jahre vor dem großen »HoGeSa«-Aufmarsch Ende Oktober in Köln ermittelte der Verfassungsschutz. Rege Kontakte der »Hooligans Elbflorenz« zur 2001 verbotenen Kameradschaft »Skinheads Sächsische Schweiz« waren Dresdner Behörden lange bekannt.
Mit dieser Ignoranz wurde der Fußball, der Verein SG Dynamo mit dem Problem durchaus allein gelassen. »In Dresden haben die meisten Hooligans nie den Bezug zum Fußball verloren«, kennt Torsten Rudolph den Unterschied zu vielen anderen Städten in Deutschland. Er ist der Leiter des Fanprojekts. In der täglichen Arbeit habe er sich und sein Team aber eben gerade nicht den Hooligans gewidmet. Sondern den jungen und vielen neuen Fans, den Ultras, »um dem Hooliganismus und seiner Gewaltverherrlichung etwas Positives entgegenzustellen.«
Dies ist durchaus gelungen. Die Arbeit des Fanprojekts wird allseits hoch gelobt. Aber ein gesamtgesellschaftliches Problem kann ein Klub nicht lösen. Und das Urteil aus Karlsruhe? Will es vielleicht nicht, wenn man Oliver Malchow so hört: »Diese Gruppe hochaggressiver Täter lebt unter dem Deckmantel des Fußballs ...« Ist wieder der Fußball schuld? Wie viele Fans werden demnächst Mitglied einer kriminellen Vereinigungen sein?
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