Das Dresdner Dafür
Zehntausende treten bei Konzert an der Frauenkirche für Weltoffenheit ein
Eine »Veranstaltung, die das Dafürsein feiert« – so nannte der Dresdner Chefdramaturg Robert Koall ein Konzert, bei dem am Montagabend Tausende Bürger vor der Frauenkirche ein Zeichen für Weltoffenheit setzten. Unter dem Motto »Offen und bunt – Dresden für alle« traten prominente Künstler wie Silly, Keimzeit und Herbert Grönemeyer, lokale Musiker wie Banda Communale, aber auch Jugendliche des Heinrich-Schütz-Konservatoriums auf. Die Veranstaltung trat der zunehmend fremdenfeindliche Stimmungen in der Stadt entgegen, in der die Initiative Pegida seit Wochen an den Montagabenden gegen eine angebliche »Islamisierung des Abendlandes« demonstriert. Diesmal war die Kundgebung wegen des Konzerts auf Sonntag vorgezogen worden. Erstmals wurde dabei ein Rückgang der Teilnehmerzahlen auf gut 17.000 verzeichnet.
Viele der Künstler appellierten dennoch zu verstärktem Engagement gegen Fremdenhass und zu Offenheit für Zuwanderer. Koall, der am Staatsschauspiel Dresden arbeitet, plädierte für einen »respektvollen Umgang« und forderte, diesen auch von »engstirnigen Bemerkungen selbst eines Ministerpräsidenten« nicht zerstören zu lassen. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) hatte am Wochenende in einem Zeitungsinterview erklärt, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Er hatte sich damit gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (ebenfalls CDU) gestellt. Die Äußerung war vielfach als Zugeständnis an Pegida interpretiert worden.
Dass der Islam zu Sachsen gehört, bekräftigte auch Gerhard Ehninger. Der Mediziner, der am Universitätsklinikum arbeitet und sich im Verein »Dresden – Place to be« engagiert, gehört zu den Initiatoren des Konzertes. Er begründet das auch mit familiären Motiven: Seine Schwiegertochter stammt aus Nigeria und ist Muslimin. Die Hochzeit sei mit ihrer Familie auch in Dresden gefeiert worden; nun lebe sie in der Stadt: »Also gehört der Islam zu Sachsen.«
Ehninger wies Gerüchte zurück, wie sie am Sonntag von Pegida-Chefin Kathrin Oertel verbreitet worden waren. Sie hatte von einem staatlich finanzierten Konzert gesprochen. Der Mediziner sagte dazu: »Wir sind unabhängig von König, Staat und Kirche.« Tatsächlich wurde das Konzert, dessen Vorbereitung nur drei Wochen dauerte, aus Spenden finanziert. Es hätten mehr Künstler zugesagt, als auftreten konnten, hieß es. Manche äußerten sich stattdessen in Videobotschaften – ebenso wie ausländische Studenten der TU Dresden, die eine frostigere Stimmung in der Stadt beklagten und daher zu besserer Kommunikation zwischen Einheimischen und Zugereisten aufriefen.
Ausgerechnet während der Botschaft einer verschleierten Studentin aus Palästina wurde deutlich, welche Stimmung den Zuwanderern teilweise entgegen schlägt: Aus der Menge erschallte der auch bei den Pegida-Demonstrationen häufig strapazierte Ruf »Wir sind das Volk.« Mehrere Künstler appellierten deshalb an die Zuhörer, neben dem »Zeichen für das Dafür« auch deutlicher als bisher ihre Ablehnung von Pegida zu artikulieren. Der Schauspieler und Sänger Christian Friedel sagte, es müsse auch »möglich sein, ohne Event gegen Fremdenfeindlichkeit zu protestieren«. Dramaturg Robert Koall packte seine Botschaft in einen knackigen Spruch aus seiner Heimatstadt Köln: »Arsch hoch, Zähne auseinander!«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!