Einwanderung nach Leistungsprinzip
SPD-Fraktionschef Oppermann: Gezielte Zuwanderung darf einheimische Beschäftige nicht gefährden
Berlin. Die Debatte um ein Einwanderungsgesetz entzweit inzwischen nicht nur die große Koalition, sondern zunehmend auch die Regierungsparteien selbst. Als Reaktion auf innerparteiliche Kritik stellte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag im ZDF-»Morgenmagazin« klar, dass ein Einwanderungsgesetz mit einem flexiblen Punktesystem für ausländische Fachkräfte keinesfalls einheimische Arbeitssuchende unter Druck setzen solle. Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte sei aber nötig.
»Ich glaube, dass die Gesamtsituation für unsere Volkswirtschaft noch immer dramatisch unterschätzt wird, was es bedeutet, wenn in den nächsten zehn Jahren sechs Millionen Fachkräfte ersetzt werden müssen, für die es im Augenblick keinen Ersatz gibt«, sagte Oppermann. »Also brauchen wir qualifizierte Einwanderung, um unseren Wohlstand zu erhalten.« Oppermann hatte vorgeschlagen, die Einwanderung nach Deutschland mit einem neuen, flexiblen Punktesystem zu regeln.
SPD-Vize Ralf Stegner rügte im »Kölner Stadt-Anzeiger«, Oppermann habe das Konzept »sehr offensiv dargestellt«. Zwar sei in der SPD unstrittig, dass Deutschland mehr Zuwanderung und mehr Arbeitsmigration brauche. Doch müsse sichergestellt werden, dass es dadurch nicht zu einem Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen komme, sagte Stegner. Der Zeitung zufolge mahnte auch die bei den Sozialdemokraten einflussreiche nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zur Zurückhaltung.
Seine Vorschläge für gezielte Zuwanderung von Fachkräften auch von außerhalb der EU richteten sich nicht gegen Arbeitende in Deutschland, betonte Oppermann nun. Deswegen müsse in der Debatte um ein Einwanderungsgesetz auch deutlich gemacht werden, dass die rund eine Million jungen Menschen in Deutschland ohne Berufsausbildung »auf jeden Fall eine zweite Chance und wenn es sein muss, auch eine dritte Chance« benötigten.
Doch die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz lässt nicht nur in der SPD, sondern längst auch in der Union Meinungsverschiedenheiten zutage treten. CDU-Generalsekretär Peter Tauber und auch der Vorsitzende der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann (CDU), befürworten ein solches Gesetz.
»Wir haben ein exzellentes Zuwanderungsrecht in Deutschland«, sagte hingegen der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), in Berlin. Die Wirtschaft sei zufrieden und die Einwanderung von Fachkräften finde statt. Eine Diskussion über Verbesserungen sei zwar in Ordnung, fügte Grosse-Brömer hinzu, warnte aber auch: »Wir müssen nicht ein System, das funktioniert, vollständig ändern.«
Die oppositionellen Grünen sehen hingegen ebenso wie Oppermann dringenden Handlungsbedarf. »Deutschland ist ein Einwanderungsland, und das muss sich auch in einem Einwanderungsgesetz niederschlagen«, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, der Nachrichtenagentur AFP. »Es geht nicht darum, bei Mangelberufen Lücken zu stopfen, wenn es schon zu spät ist. Es geht um ein langfristiges systematisches Konzept für Einwanderung, Integration und Partizipation.«
Schon aus demografischen Gründen brauche Deutschland eine »zielgerichtete Zuwanderung und keine nach dem Zufallsprinzip und mit vielen Hürden«, forderte Göring-Eckardt. »Die Potenziale von Menschen, die sich bereits im Inland befinden, müssen ebenfalls besser ausgeschöpft werden.«
Bundesgeschäftsführer der Partei die LINKE, Matthias Höhn warnte vor einer Einwanderung nur nach dem Leistungsprinzip: »Wenn wir eine offene Gesellschaft wollen, dann darf diese Offenheit nicht vom Nützlichkeitsaspekt reglementiert werden - sonst widerspricht sie sich selbst. Und die offene Gesellschaft braucht zuallererst offene Arme, eine wirkliche Willkommenskultur. Wer den Wert eines Menschen an einer wie weit auch immer gefassten Tauglichkeit festmacht, liegt falsch.«
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