Ohne Wasser, Strom und Heizung
Ukrainisches Parlament will militärische Disziplin mit Waffengewalt durchsetzen
Auf die beschleunigte Räumung des in Kiew reichlich gefallenen Schnees hoffte am Donnerstag angesichts der jüngsten diplomatischen Aktivitäten der Vizechef der Präsidialverwaltung Valery Tschaly, wie »sputniknews« verbreitete. Bereits US-Außenminister John Kerry war im Flockenwirbel eingetroffen. Doch blieben geräumte Straßen eine untergeordnete Erwartung an den Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten François Hollande bei Präsident Petro Poroschenko.
Entschieden größere Hoffnung musste auf eine Entspannung der Lage im Krisengebiet gesetzt werden. In Donezk mussten bei Artillerieangriffen erneut mindestens acht Menschen sterben. Mehr als 30 Zivilisten seien verletzt worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Bei Gefechten seien fünf Soldaten getötet und 29 verletzt worden, teilte das Militär mit.
Aus Debalzewo bei Donezk wurden nach Darstellung der Separatisten etwa 1100 Menschen in Sicherheit gebracht. Nach Angaben von Regierungschef Arseni Jazenjuk halfen die Behörden zudem 2500 Menschen bei der Flucht. Medien zufolge sollen sich in Debalzewo noch bis 7000 Menschen aufhalten - ohne Wasser, Strom und Heizung.
Über die Rettung dreier Menschen aus den Trümmern ihres Hauses berichteten örtliche Medien. Vier Tage hatten in Debalzewo zwei ältere Menschen und ein Mädchen ohne Nahrung und Wasser in der Kälte überlebt, bevor sie von Milizionären geborgen wurden.
Insgesamt verzeichnete der Sprecher der »Anti-Terror-Operation«, Andrej Lyssenko, ein Nachlassen der Angriffe der Aufständischen, wie »Interfax-Ukraina« verbreitete. Es sei aber noch nicht wieder der während der vorherigen Waffenruhe herrschende Zustand erreicht. Den Grund für das Abflauen der Angriffe sah er darin, dass »unsere Kräfte dem Gegner ernste Schläge versetzt und ihm große Verluste zugefügt haben«. Seit Mittwoch seien 190 gegnerische Kämpfer »vernichtet« worden.
Die »Werchowna Rada« in Kiew verabschiedete am gleichen Tage ein Gesetz über verschärfte Mittel gegen Disziplinarverstöße in den Streitkräften. Kommandeuren wird darin der Einsatz von Waffengewalt gegen Unterstellte ausdrücklich gestattet. Befehlsverweigerung, unerlaubte Entfernung von der Truppe und Desertionen gehören zunehmend zum Alltag in der Armee.
Besorgt äußerte sich der Sprecher des russischen Außenministeriums, »dass die ukrainischen Militärkräfte immer öfter Methoden der Kriegsführung unter Einsatz verheerender Waffenarten anwenden, die ihrer Wirkung nach den Massenvernichtungswaffen ähnlich sind«. Er verwies auf einen Beobachterbericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), laut dem der Ort Komsomolskoje von »Uragan«-Raketenwerfern mit international geächteter Streumunition beschossen worden sei.
Die Milizen der nicht anerkannten Lugansker Volksrepublik im Osten der Ukraine bestätigten, über acht Flugabwehrraketen-Systeme des Typs Ossa zu verfügen und gaben an, sie bereits im September vom ukrainischen Militär erbeutet zu haben. »Bei der Liquidierung des Kessels von Ilowajsk haben unsere Einheiten viele Waffen, darunter auch Luftabwehrwaffen, sichergestellt«, teilte laut russischen Medien Vitali Kisseljow, stellvertretender Kommandeur des Volksmilizkorps, mit.
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