Währungskrieg in Istanbul
Auf dem G20-Treffen in der türkischen Metropole wird es vornehmlich um Geldpolitik gehen
Offiziell steht die Steuerflucht der Konzerne ganz oben auf der Agenda der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs, die sich am heutigen Montag und am Dienstag in Istanbul treffen. Doch die Spitzen der 20 wichtigsten Industrieländer sorgen sich vor allem um die lahmende Weltwirtschaft und den sich abzeichnenden »Währungskrieg«. Auf ihrem November-Gipfel hatten sich die Staats- und Regierungschefs noch auf ein Maßnahmenpaket zur Belebung der Weltwirtschaft geeinigt: Das globale Bruttoinlandsprodukt solle in fünf Jahren um zwei Billionen Dollar wachsen. Doch der Optimismus ist verpufft, seit sich von der Ukraine bis zur Inselwelt im Pazifik immer mehr Konflikte zuspitzen. Kürzlich senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine bisherige Prognose für das globale Wachstum um 0,3 Punkte auf 3,5 Prozent.
Derweil entwickelt sich die geldpolitische Welt immer weiter auseinander. Dahinter verbergen sich Versuche, durch Abwertungen gegenüber anderen Währungen die Konjunktur anzuheizen: Durch eine »abgewertete« Währung können die landeseigenen Produkte im Ausland preisgünstiger verkauft werden.
In der vergangenen Woche folgte Dänemark dieser Strategie. Neben der Schweiz das einzige Land mit Minuszinsen. Die »Nationalbanken« in Kopenhagen reduzierte zum vierten Mal in diesem noch jungen Jahr den Leitzins für Einlagen der Geschäftsbanken bei ihr, auf minus 0,75 Prozent. Im Januar kaufte die Notenbank rund 14 Milliarden Euro, um eine Aufwertung der Krone zu verhindern. Seit der Aufgabe der Bindung des Schweizer Franken an den Euro - mit einer nachfolgenden starken Aufwertung des Franken - wird auf den Märkten darauf spekuliert, dass auch Dänemark seine Wechselkursbindung aufgeben muss, weil ihm die Stützungskäufe zu teuer und riskant werden.
Hinter dem Bemühen, eine Verteuerung der dänischen Krone zu verhindern, steht unausgesprochen die Absicht, die heimische Wirtschaft auf Kosten des Auslandes anzukurbeln. Die billige Krone förderte lange die Ausfuhr dänischer Milchprodukte, Windkraftanlagen und maritimer Dienstleistungen der Maersk-Gruppe. Der günstige Wechselkurs gilt unter Ökonomen als Baustein für das skandinavische »Wirtschaftswunder«.
Der Erfolg einer solchen Strategie, von der auch die Schweiz profitierte, hat sich jedoch herumgesprochen. Kanada und Indien haben kürzlich ihre Leitzinsen gesenkt, und auch Australien sowie Singapur lockerten die Geldpolitik. Am Mittwoch folgte Exportweltmeister China. Und auch die deutsche Ausfuhr profitiert gerade vom durch die Europäische Zentralbank begünstigten Fall des Euros.
Im Gegenzug hatte Russland schon 2014 seine Leitzinsen mehrfach erhöht, um den Rubel vor einem Absturz zu bewahren. Merke: Eine zu schwache Währung destabilisiert eher die Wirtschaft - auch weil Importe dann unverhältnismäßig teuer werden und weil Unternehmen aus Unsicherheit weniger investieren. Der Kurs der Moskauer Währungshüter war nur teilweise von Erfolg gekrönt. Inzwischen wurde der Leitzins ein wenig gesenkt, um den Kredithahn nicht ganz abzudrehen.
Gewinner des globalen Konjunkturrennens sind zurzeit Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Bankanalysten erwarten, dass die »Bank of England« als erste der großen Notenbanken nach der Finanzkrise von 2007 die Zinsen wieder anheben kann. Auch die amerikanische Fed könnte noch 2015 eine Zinswende einleiten. Doch unterm Strich liegen Welten zwischen den Leitzinsen der G20: Einerseits Argentinien (13 Prozent) und Russland (15), anderseits die Euroländer (0,05) und Japan (0,0). Eine gemeinsame Währungspolitik wird daher auch in Istanbul nicht gefunden werden.
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