Michel, Alster, Olaf
Bürgermeister und »Scholzomat«: Hamburgs unauffälliges SPD-Stadtoberhaupt bleibt im Amt
Einiges spricht dafür, dass die Hamburger Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 tatsächlich eingeweiht wird. Alles spricht dafür, dass Olaf Scholz dann als Bürgermeister einen prominenten Sitzplatz einnehmen wird. Die Herrschaft der Sozialdemokraten an Alster und Elbe ist so ungefährdet wie seit den 1970er Jahren nicht mehr.
Am Sonntag werden 1,3 Millionen Hamburger an die Urnen gebeten, darunter erstmals auch 16- und 17-Jährige. Umfragen sagen der SPD ein Ergebnis um die 45 Prozent voraus. Selbst wenn die vor vier Jahren errungene absolute Mehrheit der Mandate nicht gehalten werden sollte, steht dem von Scholz proklamierten »leidenschaftlichen Realismus« ein weiterer Triumph ins Haus: Ein Ergebnis klar oberhalb der 40 Prozent ist für deutsche Sozialdemokraten in keinem anderen Bundesland zu holen.
Was verbirgt sich hinter diesem »leidenschaftlichen Realismus«? Unter Realismus sind die Projekte zu verbuchen, die Scholz in seinen vier Jahren Amtszeit angeschoben hat: 6000 Wohnungen werden jährlich gebaut, Krippen und Kitas sind bis zu fünf Stunden täglich gebührenfrei, der Haushalt 2014 verbucht einen Überschuss von rund 400 Millionen Euro. Bestellt - geliefert, so ist das Motto des von Scholz ausgerufenen »ordentlichen Regierens«.
Mit der Leidenschaft ist das so eine Sache. Des Hanseaten Devise lautet: Nur nicht auffallen, das aber deutlich. Dazu passt die Nüchternheit des 56-jährigen Stadtoberhaupts, die ihm den wenig freundlichen Spitznamen »Scholzomat« eingetragen hat. Dazu passt aber auch, dass im gefühligen Teil der Hamburger Politik an einem bunten Luftschloss gebaut wird: die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024, für die die Stadt sparsamerweise das alte »Feuer und Flamme«-Logo ausgepackt hat, das schon 2003 bei der innerdeutschen Niederlage gegen Leipzig zum Zuge kam.
So lange Hamburg gegenüber Berlin noch nicht einmal zur deutschen Bewerberstadt gekürt worden ist, verschlingt das Ringe-Projekt keine Unsummen wie reale Bauten à la Elbphilharmonie - und lässt doch zu, sich im gedanklichen Glanz einer Ausrichterstadt zu sonnen. »Ich kann mir vorstellen, die Olympischen Spiele 2024 als Bürgermeister zu eröffnen«, verriet Scholz jüngst - auch wenn die lokalen Medien ihn längst zur Konkurrenz für SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel emporschreiben.
Der Stadtchef hat auch Rückschläge einstecken müssen: 2013 entschieden die Bürger mit knapper Mehrheit, die Energienetze in städtischen Besitz zurückzuführen - obwohl Scholz gegen die Rekommunalisierung gestritten hatte. Und gegen das millionenschwere Busbeschleunigungsprogramm sammelten wütende Bürger jüngst in nur sieben Wochen gleich 20 000 Unterschriften. Volksinitiativen blühen in Hamburg wie in keiner anderen Stadt, doch eine punktuelle Unzufriedenheit mit dem politischen Kurs des Senats geht nicht mehr in Stimmen gegen den Bürgermeister über. Fast scheint es so, wie Heinrich Heine dereinst über die gediegene Hansestadt spottete: »Die Bürger können hier tun, was sie wollen, und der hoch- und wohlweise Senat kann ebenfalls tun, was er will.«
Selbst wenn Heine auch nach zwei Jahrhunderten noch richtig liegen sollte: Mit allzu Ausgefallenem überrascht Scholz die Bürger nicht. Sein persönlicher Werbespot ist nah am Wasser gedreht: Möwen kreischen im Morgenlicht, ein Barkassenführer fasst am Ende die Botschaft zusammen: »Olaf Scholz und die SPD wählen - damit es in Hamburg weitergeht.« Vorvorgänger Ole von Beust druckte 2004 Plakate mit der Aufschrift »Michel, Alster, Ole«. Die Hamburger dankten es dem CDU-Politiker damals mit der absoluten Mehrheit.
Die strebt Scholz auch diesmal an, wenn er von einem »sehr starken Mandat« für die SPD als seinem Ziel spricht. »Ich werbe nicht für Rot-Grün, das wäre ein Missverständnis«, erklärte er beim Fernsehduell mit CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich am Mittwochabend. Der Bürgermeister lässt nicht viel Platz im Rathaus. Die meisten Konkurrenten werden wohl auf eine Einladung zum Premierenkonzert in der Elbphilharmonie warten müssen, um neben Olaf Scholz zu sitzen.
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