Besenstiele statt Rotoren?
Rechnungshof rügt Pfusch bei der Beschaffung neuer Bundeswehrhubschrauber
Man müsse, so hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in dieser Woche auf einer Konferenz zum neuen Weißbuch gesagt, auch über künftige Budgets reden. Zugleich verwies sie darauf, dass die Rüstungsindustrie ihre vertraglichen Pflichten nicht einhält. Ein Beispiel für verschleuderte Millionen bietet das Hubschrauberprogramm NH90. Wenn man demnächst auf dem Flugdeck einer deutschen Fregatte einen Soldaten sieht, der zwei gekreuzte Besenstiele über den Kopf hält, so ist das vermutlich ein Hubschrauberpilot. Er simuliert den Einsatz des neuen Waffensystems «Sea Lion».
Die «Methode Besenstiel» wurde im Heer entwickelt. Weil sie keine Rohre für die Waffenanlage hatten, banden Soldaten einen Besenstiel an den Turm des als hochmodern gelobten Transportpanzers «Boxer». Und das bei einem NATO-Manöver. Der deutsche Gefechtsverband, der so zur Lachnummer wurde, gehört zur NATO-Response Force, also zur ganz schnellen Truppe. Laut Mainzer TV-Magazin «Report» werden in einem internen Bericht der Bundeswehr weitere Fehlstellen gelistet: Vom Nachtsichtgerät «Lucie» gebe sechs Prozent zu wenig, bei der Pistolen P8 fehlten 41 Prozent und vom Maschinengewehr 3 hätte man gern 31 Prozent mehr. Den Vogel aber schießt besagter «Boxer» ab. Dem fehlt die vorgesehene Bewaffnung zu «100 Prozent».
Nicht weniger - im Wortsinn – brenzlig schaut es beim neuen Hubschrauber aus dem Hause Airbus aus. Der NH90 soll das Heer so richtig mobil machen. Doch es besteht die Gefahr, dass sich dessen Turbinen zerlegen und das sogenannte Overhead-Panele im Cockpit durchschmoren. Nach mehreren Vorfällen dieser Art hat das Verteidigungsministerium den Routineeinsatz des Helikopters erst einmal eingestellt.
Dieser Tage kam nun heraus, dass die Minderung der Bestellungen für den NH90 und den Kampfhubschrauber «Tiger» verdammt teuer wird. Dabei sollte das Gegenteil erreicht werden. Was unter Verteidigungsminister Thomas de Maizièr (CDU) als «German Deal» beschlossen worden war, heißt bei seiner Nachfolgerin und Parteifreundin Ursula von der Leyen «Rahmenvereinbarung».
Mit der Rahmenvereinbarung reduziert das Bundesverteidigungsministerium (BMVG) die Stückzahl der Hubschrauber von 202 auf 168. Da jedoch in der Zahl auch Marinehubschrauber enthalten sind, gibt das Leyen-Ministerum «104 Millionen Euro mehr aus als vor der Vereinbarung», addierte der Bundesrechnungshof in einer aktuellen Bewertung. Die Rahmenvereinbarung enthalte zudem eine Option auf 22 weitere NH 90. Sollte diese eingelöst werden, «erhöht sich die Zahl der zu liefernden Hubschrauber auf 190. Diese kosten dann 697 Millionen Euro mehr als die ursprünglich bestellten 202. Der Stückpreis der über diese Option zu beschaffenden Hubschrauber ist 3,8 Millionen Euro teurer als der Betrag, den das BMVg für den Verzicht auf die stornierten Hubschrauber einspart», heißt es in dem internen Papier an den Haushaltsausschuss des Bundestages, das «nd» vorliegt.
Beim «Tiger»- Projekt wurden durch die Stornierung von zehn Hubschraubern 12,6 Millionen Euro weniger eingespart als ursprünglich vorgesehen. Auch hat der Auftragnehmer in den Jahren 2013 und 2014 den vorgesehenen Lieferplan nicht eingehalten, rügen die Rechnungsprüfer. Denen liegt der Marinehubschrauber namens «Siea Lion» besonders «quer». Sie rügen: Erstens müsse der Hersteller die Maschinen erst ein Jahr nach dem vereinbarten Termin liefern. Und auch dann seien die Hubschrauber nicht «im vereinbarten Bauzustand und müssen nachgerüstet werden». Es geht um 18 Stück. Um die irgendwann betreiben zu können, braucht man «weitere 503,3 Millionen Euro», heißt es in dem Bericht. Die Zusammensetzung eines Ersatzteilpaketes für den NH 90 sei noch offen und das verbesserte Wartungskonzept liege noch nicht vor. Insgesamt sieht der Bundesrechnungshof auch nach den fast drei Jahre dauernden Vertragsverhandlungen zur Stückzahlreduzierung bei der Beschaffung des «Sea Lion»erhebliche Risiken. Vier Punkte werden im Detail angesprochen:
- «Der Lieferplan ist nicht realistisch.
- Durch den bislang hohen Wartungsaufwand und die Anfälligkeit der Marinehubschrauber aus dem NH 90-Programm für Korrosion ergeben sich finanzielle und operative Risiken, insbesondere beim Einsatz als Bordhubschrauber.
- Die Folgen eines Betriebes auf Basis einer militärischen Zulassung ohne Erfüllen aller zivilen Standards sind nicht abschließend geklärt.
- Der Vertragsentwurf ist nicht geeignet, die Risiken für den Auftraggeber zu minimieren. So lässt der Änderungsvertrag keine Kündigung bei Minderleistungen zu und die Vertragsstrafen bei Lieferverzögerungen oder Minderleistungen sind gering.»
Das vernichtende Urteil wird mit dem Satz gekrönt: «Die Marine kann nicht sicher sein, dass der »Sea Lion« alle an ihn gestellten Aufgaben voll erfüllen kann.» Zudem biete der Typ keine Leistungsreserven, «was bei der absehbaren Nutzung von mehreren Jahrzehnten ungünstig ist». Auch beeinflusse die Beschaffung des «Sea Lion» andere geplante Rüstungsvorhaben, beispielsweise die Entscheidung zur Nachfolge des «Sea Lynx»-Bordhubschraubers. Das Verteidigungsministerium werde zwischen höheren Ausgaben für eine größere Hubschrauberflotte, der risikobehafteten Umrüstung des «Sea Lion» und der möglichen Beschaffung eines weiteren Hubschraubertyps zu entscheiden haben. Sonst, so wird prophezeit, einstehen «langfristige Fähigkeitseinschränkungen».
Der Haushaltsexperte der Linksfraktion Michael Leutert, warnt seit Monaten vor Unwägbarkeiten bei der Hubschrauberbeschaffung. «Der NH90 ist ein Risiko für Soldaten und Zivilisten. »Die Kritik des Rechnungshofes legt nah, dass der neue Vertrag von der Leyens das nicht ändern wird.« Es werde weiter fahrlässig mit Millionen an öffentlichen Geldern umgegangen, »ohne ausreichende Leistungen von der Industrie garantiert zu bekommen«. Der Abgeordnete fordert die Regierung zu einem verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern auf und erwartet, dass endlich Konsequenzen gezogen werden.
Sein Grünen-Kollege Tobias Lindner spricht von einem »faulen Kompromiss. Er merkt an, dass der ehemalige Verteidigungsminister de Maiziere «einen schlechten Global Deal auf den Weg gebracht hat, den von der Leyen aber weder verbessert noch gestoppt hat. Besonders fragwürdig sei, dass die Ministerin »keine Alternativen geprüft hat und die Vereinbarung nun mit Scheuklappen durchboxt« Die Bundeswehr werde dadurch in eine alternativlose Position manövriert und so ist es natürlich kein Wunder, dass sie nun einen Weg mit erheblichen Risiken einschlägt. Auf diese Art und Weise werden sich die Probleme im Beschaffungsbereich eher verschärfen und nicht lösen.
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