Tsipras: Wir haben eine Schlacht gewonnen

Reaktionen auf den Kompromiss von Brüssel / Schäuble: SYRIZA ist in der Realität angekommen / Linke: Schäuble hat den Mund zu voll genommen / Nea Dimokratie: Das Schlimmste ist abgewendet worden

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 18 Uhr: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat den Kompromiss in der Eurogruppe zum Kreditprogramm für ein Land verteidigt. Es sei gelungen, »die Sparpolitik hinter sich zu lassen«. Damit habe die SYRIZA-geführte Regierung ihr »Hauptziel« erreicht, sagte der linke Regierungschef am Samstag in einer Fernsehansprache. Es bleibe aber noch ein langer Weg zurückzulegen. »Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg (...), die wahren Schwierigkeiten liegen noch vor uns«, so Tsipras. Die Regierung habe einen »großen Erfolg« erzielt, doch bleibe »ein langer und schwieriger Weg«. Seine Regierung habe »ein Land am Rand des Abgrunds« geerbt, sagte Tsipras. Sie habe einen Plan »blinder konservativer Mächte« im In- und Ausland abgewehrt, Griechenland in die Zahlungsunfähigkeit zu stürzen. Mit dem am Freitagabend vereinbarten Abkommen habe Griechenland einen anderen »Horizont« für die Verhandlungen, da die Finanzierung des Landes für zunächst vier Monate gesichert sei. Dann werde Athen »seinen eigenen Entwicklungsplan« vorstellen. Der Kompromiss von Freitag verschaffe dem Land somit mehr Zeit, sagte Tsipras.

Update 17 Uhr: Die Union erklärte, sie wolle die Vorstellungen der Regierung in Athen genau prüfen, bevor der Bundestag darüber abstimmt, wie Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) am Samstag hervorhob. Der Bundestag muss der zwischen der Eurogruppe und der griechischen Regierung grundsätzlich vereinbarten Verlängerung des Kreditprogramms um vier Monate in den nächsten Tagen zustimmen. Das ist aus Sicht von Brinkhaus kein Selbstläufer: »Der Drops ist noch nicht gelutscht«, warnte der CDU-Politiker die Regierung in Athen mit Blick auf die Reformzusagen, die Griechenland bis Montag machen muss. »Das Paket muss insgesamt stimmen. Es ist weniger eine Zeitfrage, sondern eine Frage des Inhaltes«, sagte Brinkhaus.

Der Obmann der Unionsfraktion im Haushaltsausschuss des Bundestags, Eckhardt Rehberg (CDU), forderte im WDR, dass griechische Reeder »endlich besteuert werden« müssten. Damit die in Brüssel geschlossene Einigung zum Tragen kommt, müssen die Reformzusagen vor der Bundestagsabstimmung auch noch von den Gläubiger-Institutionen und der Eurogruppe abgesegnet werden. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich zuversichtlich, dass der Konflikt um Griechenland und den Kurs der neuen linksgeführten Regierung in Athen nun zunächst einmal beigelegt ist. »Die Vernunft hat sich durchgesetzt«, sagte Oppermann der »Welt am Sonntag«. »Es ist gut, dass Griechenland jetzt doch zu Strukturreformen bereit ist.«

Update 16 Uhr: Grüne und Linke verlangten, die soziale Lage in Griechenland zu verbessern. Die Eurogruppe sei gefordert, »Raum für Investitionen zu schaffen und den sozialen Verwerfungen entgegen zu steuern«, sagte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Von der Regierung in Athen forderte sie, Korruption und Steuerhinterziehung zu bekämpfen, die Abgaben für Reiche zu erhöhen und weitere Reformen anzupacken.

Die Regierung in Athen habe nun »etwas Zeit, um ein vernünftiges Reformprogramm zu erarbeiten, das nicht die Unter- und Mittelschicht weiter ins Elend drängt«, erklärte die Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament, Gabi Zimmer, in Brüssel. »Und sie hat eine kleine Chance, gegen die humanitäre Krise im Land anzugehen.« Zimmer forderte von der Regierung in Athen, »die Korruption und Vetternwirtschaft ins Visier zu nehmen und ein gerechtes und effizientes Steuersystem aufzubauen, das Reiche und Konzerne nicht länger schont«. Dies sei die Vorgängerregierung aus Konservativen und Sozialdemokraten schuldig geblieben. »Will die griechische Regierung bei den Verhandlungen über ein neues Abkommen andere Bedingungen und Kriterien durchsetzen, braucht sie einen starken internationalen Rückhalt«, so Zimmer weiter. »Eine breite europäische Bewegung aller, die die gescheiterte EU-Krisenpolitik für unverantwortlich halten, ist dringend nötig.«

Linken-Politiker De Masi: »Erpressung is over«

Berlin. Die vorläufige Einigung auf eine Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland unter bestimmten Bedingungen sind auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sprach von einem »sehr positiven Ergebnis«. Es werde erlauben, »Schritt für Schritt« die Zusammenarbeit mit Griechenland wieder »auf die Spur zu setzen«. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach am Freitagabend von einem »wichtigen Schritt«.

Der CDU-Politiker richtete zugleich erneut schroffe Worte in Richtung Athen: »Regierung ist ein Rendezvous mit der Realität. Die Realität ist oft nicht ganz so schön wie die Träume.« Auf die Frage, ob auch Griechenland Zugeständnisse erhalten habe, sagte er: »Alles, was wir seit 2010 machen, sind Zugeständnisse.« Es gehe aber auch nicht darum, »Griechenland etwas zuzufügen«, sagte er. »Alles, was wir tun, ist in meinem Verständnis im Interesse Griechenlands.« Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach verlangte »verlässliche Gegenleistungen Athens«. Europa dürfe sich »nicht mit leeren Versprechungen abspeisen lassen«, sagte der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss.

Der Europaabgeordnete der Linken, Fabio De Masi, kommentierte den Ausgang des Treffens ganz anders: »Schäuble hat den Mund zu voll genommen. Erpressung is over. Varoufakis hat die Euros der Steuerzahler in Deutschland gerettet«, sagte er Freitagnacht. »David hat sich gegen Goliath durchgesetzt und Europa vielleicht bereits ein Stück verändert: Griechenland wollte vom Tropf der Kredite weg und benötigte eine Brückenfinanzierung, um die Wirtschaft zu ordnen und das Troika-Chaos aufzuräumen.« Wenn Athen nun das Wachstum anschieben, Zukunftsinvestitionen auf den Weg bringen und einen effizienten Steuervollzug statt Privatisierung zu Ramschpreisen und wachstumsfeindliche Lohn- und Rentenkürzungen erreichen wolle, könnten diese Ziele nun »mit der heutigen Vereinbarung der Eurogruppe erreicht werden«, So De Masi.

Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht kritisierte noch einmal die kompromisslose Haltung der Bundesregierung. Es sei unglaublich, mit welcher Ignoranz die griechische Regierung bei den Verhandlungen erpresst worden sei. »Es ist gut, dass die Bundesregierung mit ihrer unnachgiebigen Alles-oder-Nichts-Position von den anderen Euroländern ausgebremst wurde.«

In Griechenland selbst haben nahezu alle Parteien die Einigung der Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit den Gläubigern begrüßt. »Das Schlimmste ist abgewendet worden. Und das ist das Positive«, hieß es in einer Erklärung der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) am Samstagmorgen. Mit den Aktionen der Regierung in den vergangenen Tagen sei das Land nun aber unter noch strengere Kontrolle der Geldgeber gestellt worden, hieß es - ein innenpolitischer Seitenhieb auf SYRIZA, die im Wahlkampf die Befreiung von Troika und Memorandum versprochen hatten.

»Alexis Tsipras hat wohl am Ende den Weg der Logik gewählt. (...) Das Alptraumszenario eines Austritts aus der Eurozone ist vorerst abgewendet worden«, erklärte die Partei »To Potami« (der Fluß). Die Sozialdemokraten der Pasok kommentierten hingegen: »Das Ende der Illusionen (für die Tsipras Regierung) ist gekommen«. Wäre die Regierung nicht in der Realität angekommen, hätte sie das Land um Jahre zurückgeworfen. Die Kommunistische Partei KKE kritisierte, die Einigung in Brüssel sei nichts Anderes als eine Fortsetzung der Sparprogramme. nd/Agenturen

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