»Wir sehen Arbeit aus Sicht der Beschäftigten«
Thüringens Sozialministerin Heike Werner im Gespräch über die rot-rot-grüne Perspektive, den öffentlichen Beschäftigungssektor und die Stellenstreichungspläne von Siemens
Soziales und Arbeit sind seit Dezember in einem Thüringer Ministerium vereint. Ein Statement, sagt Ressortleiterin Heike Werner (Linke) im Interview - und verrät Details zum geplanten öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Die Linken-Politikerin wurde 1999 erstmals für die damalige PDS in den sächsischen Landtag gewählt, 2004 und 2009 gelang der heute 46-Jährigen der Wiedereinzug. 2014 schaffte sie es nicht mehr. Werner hat zwei Kinder. Mit ihr sprach Benno Schwinghammer.
Nach ihrer Ernennung zur Ministerin twitterte ein User »Im Kabinett von .@bodoramelow sitzt mit Heike Werner ernsthaft jemand als Arbeitsministerin, die einzig und allein 25 Jahre studiert hat?« Was hätten sie zurückgeschrieben?
Dass ich glaube, dass ich von Arbeit eine ganze Menge verstehe. Menschen arbeiten ja nicht nur, wenn sie erwerbstätig sind, also Lohn bekommen. Sondern Arbeit umfasst auch wissenschaftliche Tätigkeit, Beschäftigung mit Kindern und ehrenamtliches Engagement in verschiedensten Bereichen. Nicht zuletzt ist auch Politik eine Form von Arbeit. Ich habe mich 15 Jahre im sächsischen Landtag für soziale Belange eingesetzt und dort unter anderem den Sozialausschuss geleitet. Alles zusammengenommen sehe ich mich also gut vorbereitet für den Job als Ministerin. Deshalb nehme ich solche Schmähungen mit Gelassenheit.
Der Bereich Arbeit war in der vergangenen Legislatur noch dem Wirtschaftsministerium zugeordnet - nun gehört er zum Sozialministerium. Ein Statement der Regierung?
Es ist ein Statement. Ich denke, es geht darum, Arbeit aus einer anderen Perspektive zu betrachten, also nicht so sehr aus dem Blickwinkel der Wirtschaft, sondern aus Sicht der Beschäftigten. Es geht darum, wie gute Arbeit aussehen muss. Das heißt gute Arbeitsbedingungen, gute Entlohnung und Perspektiven im Beruf. Das ist wichtig für Thüringen: Auf der einen Seite haben wir insgesamt eine relativ geringe Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite haben wir relativ viele Menschen, die schon lange ohne Job sind. Die niedrige Arbeitslosenquote wurde auch damit bezahlt, dass Menschen in prekärer Arbeit sind, dass Menschen ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken müssen oder in Leiharbeit und Teilzeit arbeiten.
Um den mehr als 32.000 Langzeitarbeitslosen im Land wieder eine Perspektive zu bieten, hat die Regierung einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor versprochen - wie steht es damit?
Das werden wir dieses Jahr angehen. Wir sind gerade dabei, verschiedene Szenarien durchzurechnen, wie vielen Menschen wir 2015 eine gemeinwohlorientierte Arbeit anbieten können. Das könnten 500 Arbeitsplätze sein, das könnten aber auch einige mehr oder weniger sein. Das hängt auch von den Partnern ab: Wir brauchen die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit, die Kommunen müssen dabei sein, und das Projekt muss mit EU-Mitteln co-finanziert werden. Zudem müssen wir natürlich auch die Kooperationspartner finden, die den Langzeitarbeitslosen Arbeit anbieten. Wir werden dafür in diesem Jahr einen einstelligen Millionenbetrag bereitstellen.
Sie besprechen momentan intern den Haushalt für ihr Ministerium. Sind sie mit ihrem Budget zufrieden?
Nein, aber ich glaube zufrieden sind Ministerien da eigentlich nie. Wir haben uns im Kabinett auf eine Zielgröße geeinigt: Der Ist-Zustand von 2014 plus ein Prozent Aufwuchs. Das klingt erst einmal ganz gut. Praktisch wird es nicht einfach, mit dem Budget auszukommen. Wir müssen Mehrausgaben für gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben schultern. Und wir wollen mehr in die soziale Gerechtigkeit investieren, ohne den Haushalt zu überziehen.
Siemens will Stellen in Thüringen abbauen. Sie haben sich eindeutig auf die Seite der Beschäftigten gestellt. Wie stark darf die Politik sich in Unternehmensentscheidungen einmischen?
Wenn ein Konzern einen Rekordgewinn einfährt und im gleichen Zug Beschäftigten, die diesen Gewinn mit erwirtschaftet haben, den Stuhl vor die Tür stellt, dann darf verantwortliche Politik nicht schweigen. Wir haben uns lange mit dem Betriebsrat von Siemens Erfurt unterhalten und auch mit den Vertretern der IG Metall. Und deren Einschätzung war eindeutig: Auf den ersten Blick werden »nur« 168 Arbeitsplätze abgebaut, es wird aber nach dem Rasenmäher-Prinzip gemacht und dadurch gehen dem Unternehmen natürlich auch wichtige Qualifikationen verloren. Das wird als Zeichen gesehen, dass Siemens nicht mehr viel Wert auf das Werk Erfurt legt.
Hand aufs Herz, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie etwas an der Entscheidung des Konzerns ändern können?
Die Geschichte zeigt, dass solche Entscheidungen nicht in Stein gemeißelt sind. Deshalb ist es gut, wenn die Unternehmensleitung sieht, dass auch die Landesregierung sich für Alternativen zum Arbeitsplatzabbau einsetzt. Ein gemeinsamer Druck kann Wirkung entfalten.
Gegenwind bekommen sie beim Mindestlohn: Unternehmer beklagen zu hohe bürokratische Hürden bei der Dokumentationspflicht für ihre Beschäftigten. Muss nachgebessert werden oder wird das aufgebauscht?
Ich denke, das ist zum Teil auch aufgebauscht. Die Dokumentationspflicht gab es ja auch schon vorher in Branchen, die stark von Schwarzarbeit betroffen sind, etwa die Gastronomie und das Baugewerbe. Der Mindestlohn gefällt halt nicht allen und deshalb sucht der eine oder andere jetzt auch Gründe, um zu kritisieren.
Zuletzt eine Frage zur gerade gestarteten Fastenzeit. Geht die Gesundheitsministerin mit gutem Beispiel voran?
Ja wir haben das familiär abgeklärt und wir fasten gerade Fleisch und Alkohol. Fasten geht immer nur gemeinsam. dpa/nd
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