Das Mega-Müllproblem
Die Umweltorganisation Greenpeace befürchtet, dass die Region Fukushima als Folge der Atomkatastrophe zum Endlager wird
»Es gibt einen Berg an Problemen, hierzu zählen kontaminiertes Wasser, die Stilllegung, die Entschädigungen sowie die Kontamination«, erklärte Shinzo Abe am 30. Januar dieses Jahres. Damit musste der japanische Premierminister seine Position von 2013 revidieren, als er verkündete, die Folgen der Ansammlung radioaktiven Wassers in Fukushima seien »unter Kontrolle«.
Gerade das kontaminierte Wasser ist nach wie vor ein Hauptproblem, »beispiellos«, wie Heinz Smital, Atomexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace, am Mittwoch in Berlin erklärte. Seit vier Jahren hat der Betreiber Tepco Hunderte von Tonnen Wasser täglich in die Anlage gepumpt, um die geschmolzenen Brennelemente zu kühlen. 320 000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser lagert in etwa 1000 Stahltanks auf dem Gelände, heißt es im Greenpeace-Bericht, die Dekontaminierung gehe nur langsam voran.
Gebraucht wird das Wasser, um eine weitere Kernschmelze zu verhindert. Wo genau sich der Brennstoff in den Ruinen befindet, weiß bisher niemand. Tepco arbeitet an Versuchen, den genauen Standort und Zustand mit einem Kameraroboter zu erforschen. Von einer Bergung ist das Unternehmen noch weit entfernt, auch wenn die technischen Maßnahmen nach Ansicht von Smital »durchaus Sinn machen«. Der Atomexperte war seit 2011 mehrmals vor Ort, um Messungen zu begleiten.
Ein weiteres Problem ist die Entsorgung der kontaminierten Umgebung. Die könnte laut Greenpeace trotz einiger Erfolge und massiver Bemühungen »zum nie endenden Prozess werden«.
In schwarzen Müllsäcken lagerte der nukleare Abfall zunächst am Straßenrand. Heute hat die Präfektur rund 54 000 Standorte eingerichtet, um den atomaren Müll zwischenzulagern, der nach offiziellen Schätzungen zwischen 15 und 28 Kubikmeter umfasst. Selbst nach der Dekontaminierung würden 100 Millionen Tonnen radioaktiver Müll bleiben. Damit wachsen auch die Befürchtungen in der Bevölkerung, dass die Region um Fukushima zu einem Endlager wird.
In die evakuierte 20-Kilometer-Zone seien einige Familien zurückgekehrt, rund 120 000 Bewohner lebten nach wie vor in provisorischen Unterkünften. »Es gibt eine enorme Spannung innerhalb der Gesellschaft«, beschreibt Smital, »einige wollen, dass alles wieder so ist wie vor der Katastrophe, andere wollen lieber mit ihren Familien an einem anderen Ort neu anfangen. Sie wünschen sich, dass ihre Kinder in einem Wald spielen können und sich nicht nur auf den Wegen aufhalten dürfen.« Wer geblieben ist, bleibe skeptisch. Es fehle an Infrastruktur, weder Schulen, Geschäfte noch öffentliche Verkehrsmittel funktionierten, beschreiben Bewohner.
»Wenn ich an die Opfer denke, die nach wie vor unter schwierigen Evakuierungsbedingungen leben, glaube ich nicht, dass man die Sache als erledigt betrachten kann«, sagt auch Japans Premier Abe. Dennoch will die Regierung - trotz wachsenden Widerstands in der Bevölkerung - die Atomkraft nicht aufgeben.
Ein weltweites Phänomen: Zwar wurden in der Folge der Katastrophe AKW abgeschaltet, eine globale Kehrtwende gab es nicht. Im Gegenteil - nach einer kurzen Pause ist in einigen Ländern selbst Neubau wieder im Gespräch.
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