Russland steigt aus der ISS aus

Roskosmos will nach 2024 eigene Raumstation bauen

  • Wolfgang Jung, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Russland will länger als angekündigt bei der ISS mitarbeiten. Doch 2024 soll Schluss sein. Die Entscheidung sei ein kleiner Schritt für Moskau - aber ein großer Rückschritt für die Forschung, bedauern Experten.

Der Countdown läuft. Noch neun Jahre, dann soll die Internationale Raumstation ISS in ihre Einzelteile zerlegt werden. Behutsam ziehen dann Greifarme den 450-Tonnen-Koloss auseinander - eine spektakuläre Demontage in der Schwerelosigkeit, rund 400 Kilometer über der Erde. So hat es der Beirat der Raumfahrtbehörde Roskosmos in Moskau jetzt entschieden. Die russischen Teile der ISS sollen abgekoppelt und zum Bau eines eigenen Außenpostens verwendet werden. Von 2024 an will Russland seine ehrgeizigen Weltraumpläne wieder allein durchsetzen.

Für Russlands Partner ist das eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Der Vorteil: Moskau rückt vom zunächst genannten Datum 2020 ab. Vizepremier Dmitri Rogosin hatte den früheren Zeitpunkt vor einigen Wochen genannt. Der Nachteil: Das Ende wirkt von russischer Seite als endgültig. Aus dem Beschluss wird deutlich: Ein Vierteljahrhundert nach dem kontrollierten Absturz der ausgedienten Raumstation Mir in den Ozean will Moskau bei der Erforschung des Alls eine neue Ära einläuten - im Alleingang. An der ISS arbeitet Russland seit 1998 mit den USA und anderen Staaten zusammen.

Nach mehr als 15 Jahren sei es für eine Trennung höchste Zeit, meint Wladimir Surdin von der Staatlichen Universität Moskau. Der Unterhalt der ISS koste viel Geld, obwohl der Erkenntnisgewinn der Experimente an Bord mittlerweile gering sei. »Russland kann von dort aus noch nicht einmal richtig spionieren, weil uns die Amerikaner ständig über die Schulter schauen«, sagt er dem Moskauer Sender Echo Moskwy.

Russlands westliche Partner reagieren zunächst behutsam. Ein Mitarbeiter der europäischen Raumfahrtagentur ESA nennt es erfreulich, dass Moskau wohl doch nicht 2020 ausscheidet. 2024 - das bedeute vier Jahre mehr Planungssicherheit. Aber hinter vorgehaltener Hand äußern viele Enttäuschung. Denn nach dem kosmischen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg ist die ISS auch ein Symbol der Völkerverständigung. Vom Zustand her könne die ISS mindestens bis 2028 betrieben werden, heißt es. Tatsache ist aber auch: Die ESA-Mitglieder haben eine Finanzierung der ISS nur bis 2017 beschlossen. Darüber hinaus gibt es keinen Konsens. Als größter Beitragszahler will Deutschland die Raumstation zwar ebenfalls bis 2024 nutzen. Andere ESA-Partner sind aber zurückhaltend. Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat vor einem Jahr entschieden, die Station mindestens bis 2024 zu erhalten.

Kritik an der ISS gibt es von Beginn an. Die Gesamtkosten von über 100 Milliarden Euro stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen, so ISS-Gegner. Keines der 1200 Experimente habe Bahnbrechendes gebracht, behaupten sie. Schlagzeilen mache die Station nur mit singenden Astronauten, defekten Toiletten oder als Kulisse für Hollywood-Filme wie das Weltraumabenteuer »Gravity«. dpa

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