Chile streitet über Abtreibungsverbot
Präsidentin Michelle Bachelet bringt Gesetzesinitiative ein / Konservative Gruppen und die katholische Kirche protestieren gegen Pläne
Quito. Wirtschaftlich gilt Chile als eines der liberalsten Länder Südamerikas. In gesellschaftlichen Fragen ist das Land hingegen erzkonservativ. Abtreibungen stehen unter Strafe, selbst nach einer Vergewaltigung.
Dieses Gesetz stammt noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur und war 1989, kurz nach einem Besuch von Papst Johannes Paul II., in Kraft getreten. Präsidentin Michelle Bachelet, von Beruf Kinderärztin, will dieses strikte Verbot lockern und hat eine Gesetzesinitiative in den Kongress eingebracht.
Katholische Kirche protestiert
Laut der Initiative sollen Abtreibungen nach einer Vergewaltigung erlaubt werden, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder der Fötus keine Überlebenschancen hat. Der Gesetzesentwurf soll im März, nach der Sommerpause der Parlamentarier, erstmals im Gesundheitsausschuss des Parlaments beraten werden.
Konservative Gruppen und die katholische Kirche laufen bereits seit Wochen dagegen Sturm. Bischöfe und Pater sehen in der Regelung einen Freibrief für den »Mord an Unschuldigen«. Zahlreiche Krankenhäuser und Kliniken unter dem Dach der katholischen Universität haben angekündigt, sich zu widersetzen und auch künftig keine Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Die konservativen Oppositionsparteien fürchten, dass die Neuregelung die Tür öffnet für die generelle Legalisierung von Abreibungen. Die christdemokratische Partei (DC) plant ein eigenes Gesetzesvorhaben, das ausschließlich die Straffreiheit nach Vergewaltigungen garantiert, wie chilenische Medien berichteten.
Im Alltag bereits Realität
Im Alltag sind Abtreibungen jedoch längst Realität. Nach Schätzungen werden jährlich bis zu 150.000 illegale Abtreibungen in Chile vorgenommen. Meist in Hinterzimmerpraxen unter gefährlichen Bedingungen, kritisieren die Gesetzesbefürworter. Viele Frauen reisten auch ins Nachbarland Argentinien, weil dort die Kontrollen laxer sind. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Gesundheitsministerin Helia Molina machte dieses Tabu Ende vergangenen Jahres öffentlich – und musste zurücktreten. »In allen Nobelkliniken haben viele konservative Familien bei ihren Töchtern Abtreibungen vornehmen lassen«, sagte sie der Zeitung »La Segunda« und erntete einen Sturm der Entrüstung. Ihre Nachfolgerin Carmen Castillo ist deutlich zurückhaltender und mahnt einen offenen Diskurs an.
Bevölkerung befürwortet Änderung
Mehrfach hat es in Chile Bestrebungen gegeben, therapeutische Schwangerschaftsabbrüche zuzulassen. Diese Initiativen scheiterten jedoch stets am Widerstand der Konservativen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist hingegen nicht so konservativ eingestellt wie die Eliten. Laut der jüngsten Umfrage des Instituts Plaza Pública Cadem stehen 71 Prozent der Chilenen hinter dem Projekt von Präsidentin Bachelet. 60 Prozent der Befragten befürworten Abtreibungen unter bestimmten Bedingungen, 19 Prozent lehnen einen Abbruch rigoros ab.
Bachelet kann im Parlament auf die Unterstützung der Mittelinkskoalition zählen, die sich nach den Wahlen 2013 die Mehrheit gesichert hat. So könnte sie trotz aller Widerstände ihren Liberalisierungskurs fortsetzen. Im Januar hatte der Kongress bereits eingetragene Lebenspartnerschaften von Homosexuellen erlaubt.
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