Kassiert die Kasse die Kassiererin?
Neue Systeme im Supermarkt könnten Stellen kosten, befürchtet ver.di
Noch haben Selbstbedienungskassen in Deutschland Seltenheitswert. Doch Kassenhersteller wie Itab oder NCR arbeiten mit Hochdruck daran, das Zahlen ohne Kassierer in den Supermärkten zu perfektionieren. Die Gewerkschaft Verdi sieht bei einem Siegeszug der SB-Kassen zahlreiche Arbeitsplätze im Einzelhandel bedroht.
Wenn Rüdiger Schach die neueste SB-Kasse des Herstellers Itab vorführt, dann ist die Zukunft schon zum Greifen nahe. In schneller Folge packt der Manager in einen Warenkorb und hievt Socken, Orangen und Cola-Dosen auf ein Laufband, wie es in jedem größeren Supermarkt an den Kassen zu finden ist.
Doch sitzt am Ende des Bandes kein Kassierer oder keine Kassiererin. Diese Arbeit übernimmt Elektronik, die in einem Tunnel versteckt ist, durch den das Laufband fährt. Dort werden die Produkte mit Kameras, Scannern, diversen Sensoren und einer Waage identifiziert und auf die Rechnung gesetzt. Der Kunde muss seine Einkäufe am anderen Ende des Tunnels nur noch einpacken und bezahlen. Zumindest bei der Vorführung funktioniert das so gut, dass selbst ein halb abgerissener Barcode das Gerät nicht aus dem Tritt bringt.
Erste Geräte der neuen SB-Kassen-Generation werden zurzeit schon im Praxisbetrieb in einer Filiale eines deutschen Discounters in Nordeuropa getestet. Schach hofft, dass dies dem Geschäft mit SB-Kassen in Deutschland neuen Schwung geben wird.
Bislang hinkt Deutschland bei der Verbreitung der Selbstbedienungskassen weit hinter anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien her, wie der Chef des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI, Michael Gerling, berichtet. Nur in rund 180 Geschäften in Deutschland seien bislang SB-Kassen installiert. Insgesamt gebe es vielleicht 1000 davon, schätzt das EHI.
Vorreiter ist das Möbelunternehmen Ikea, das die SB-Kassen flächendeckend in allen Filialen anbietet. Auch in 80 von 300 Filialen der SB-Warenhauskette Real und in einigen Supermärkten finden sich neben den herkömmlichen die SB-Kassen. »Die Kunden reagieren sehr positiv«, berichtet Ikea-Sprecher Kai Hartmann.
Nach einer repräsentativen Umfrage des EHI nutzt schon heute jeder fünfte Konsument zumindest manchmal die SB-Kassen. Den Verbrauchern geht es dabei in erster Line um Zeitersparnis. Rund 90 Prozent der SB-Kassen-Nutzer geben an, den Schlangen an den herkömmlichen Kassen entgehen zu wollen. Es ist zum Teil wohl auch ein psychologischer Effekt. Denn Fachleute sind sich einig, dass der Kunde beim Selberscannen bei den meisten heutigen Geräten drei- bis viermal soviel Zeit benötigt wie eine erfahrene Kassiererin. Doch die neue Generation von Geräten könnte dies ändern.
Die Gewerkschaft ver.di sieht das nicht ohne Sorge. Ein Siegeszug der SB-Kassen würde nach Einschätzung des Verdi-Fachgruppenleiters Einzelhandel Ulrich Dalibor massive Auswirkungen auf die Beschäftigten haben. »Das wird zu Arbeitsplatzverlusten führen, selbstverständlich«, sagt er. Denn beim Bestreben die Personalkosten zu senken, würden im Einzelhandel alle Register gezogen.
Die Unternehmen, die bislang die SB-Kassen einsetzen, wollen davon allerdings nichts wissen. Ikea wolle das Personal einfach lieber in der Beratung einsetzen als beim Kassieren, heißt es beim Möbelunternehmen. Auch Real betont, an keinem der Standorte sei es in den vergangenen zehn Jahren aufgrund des Einsatzes von SB-Kassen zum Abbau von Kassenpersonal gekommen.
Ob dies so bleibt ist aber ungewiss. Schließlich wirbt Itab in seinem Katalog für die neueste, mehrere Zehntausend Euro teuere SB-Kassen-Generation nicht zuletzt mit dem erheblichen Kostensenkungspotenzial des Geräts. Das Gesamtkassenpersonal könne »um mindestens 50 Prozent« reduziert werden, heißt im Prospekt. Denn ein Mitarbeiter könne je nach gewünschtem Serviceniveau zwei bis acht Selbstbedienungskassen betreuen. dpa/nd
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