Bundestag: Regierung will Streikrecht weiter beschneiden

LINKE kritisiert Tarifeinheitsgesetz/ Bundestag debattiert im Laufe des Tages über weitere wichtige sozialen Themen

  • Lesedauer: 7 Min.
Im Bundestag soll es heute überwiegend um soziale Aspekte gehen. Mindestlohn, Mietpreisbremse und Tarifeinheitsgesetz: Während sich die Regierung für fortschrittlich hält, steigt die Opposition auf die Barrikaden.

Am heutigen Tag werden im Bundestag wichtige soziale Fragen im Bundestag besprochen. Auf der Agenda stehen Mietpreisbremse, Mindestlohn, Tarifeinheitsgesetz oder dem Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Während die Regierung bei den Themen auf eine Verbesserung der sozialen Lage hofft, ist die Opposition grundlegend anderer Meinung.

So kritisiert Dietmar Bartsch, die Mietpreisbremse sei letztlich ein Bremschen, die den Anstieg der Mieten nicht bremsen würde. Bei dem Tarifeinheitsgesetz sieht er einen klaren Verstoß gegen das Grundgesetz. Und auch im Umgang mit dem Mindestlohn sieht er, »dass es in der Großen Koalition drunter und drüber geht.«

Regierung will Streikrecht weiter beschneiden

Berlin. Die Koalition verändert ihren umstrittenen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit womöglich doch noch überraschend. Die CDU kündigte bei der ersten Beratung des Gesetzes am Donnerstag im Bundestag mögliche Änderungen an zentraler Stelle an. In Koalitionskreisen hatte es zuvor geheißen, der Entwurf werde wohl nicht mehr geändert. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte ihren Gesetzentwurf gegen eine Welle von Kritik und Ablehnung.

Mit dem Gesetz will die Regierung die Macht von Spartengewerkschaften wie die der Lokführer (GDL) eindämmen. In Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen soll nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Die Kritiker meinen, dann verliere die Minderheitsgewerkschaft Daseinsberechtigung und Streikrecht. Der Beamtenbund (dbb), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und andere kleinere Gewerkschaften hatten deshalb Verfassungsklage angekündigt. Nahles entgegnete nun, Streiks kleiner Gewerkschaften würden durch das Gesetz nicht verboten. »Streikrecht und Koalitionsfreiheit tasten wir nicht an.«

CDU will Passage zur Verhältnismäßigkeit streichen lassen

Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), setzte sich für eine Änderung des Entwurfs ein. Dabei geht es um eine vorgesehene Passage zur Verhältnismäßigkeit von Streiks. Nach der bisherigen Fassung wären Streiks künftig wohl generell nicht verhältnismäßig, wenn die Gewerkschaft keine Mehrheit der organisierten Arbeitnehmer im Betrieb hat. Schiewerling wandte ein: »Wenn eine große Gewerkschaft (...) sich nicht ernsthaft mit kleineren um den Betriebsfrieden kümmert (...), dann kann am Ende der Tage auch der kleinen Gewerkschaft der Streik nicht verboten werden.«

Die Passage zur Verhältnismäßigkeit solle also überdacht werden. Schiewerlings Argument passt dazu, dass die Koalition nach eigenen Angaben die Gewerkschaften vor allem zu mehr Kooperation drängen will. »Wir werden nach einer Lösung suchen, sofern jetzt noch weitere Schritte notwendig sind«, sagte der CDU-Politiker.

Nahles argumentierte, das Recht für Arbeitnehmer, sich zusammenzuschließen, sei nicht allein ein Freiheitsrecht. Diese Zusammenschlüsse müssten das Arbeitsleben auch ordnen und befrieden. Deshalb gelte: »Unser Vorschlag ist verfassungsgemäß.« Doch vor Gericht gebe es keine Sicherheit. »Das weiß jeder hier, auch ich.«

Die Opposition lehnte das Gesetz ab.

Für Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst ist es »überflüssig wie ein Kropf - weil die bundesrepublikanischen Arbeitnehmer sowieso nicht viel streiken«. Die Grünen-Arbeitsexpertin Beate Müller-Gemmeke warnte vor ständigem Ringen um die Vorherrschaft der Gewerkschaften durch das Gesetz: »Durch die Tarifeinheit entsteht nicht Solidarität sondern Häuserkampf.«

Schlagabtausch zum Mindestlohn

Im Bundestag haben sich Opposition und Koalition einen Schlagabtausch zum Mindestlohn geliefert. Dabei wurden am Donnerstag auch Differenzen in der Koalition deutlich. Hintergrund ist Kritik aus der Union an den Regeln etwa zur Erfassung der Arbeitszeit. Sie stammen vom Arbeitsministerium unter SPD-Ministerin Andrea Nahles. Grund der Debatte war ein Antrag der Linken, die Umgehungen der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro verhindern möchte.

Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst kritisierte die Union scharf. Mit ihrer Kritik sabotierten Politiker von CDU und CSU den Mindestlohn und beschädigten Nahles, sagte Ernst. Der CDU-Sozialpolitiker Matthias Zimmer wies Kritik von Mittelstandspolitikern der Union zurück, der Mindestlohn werde zum Bürokratiemonster. So sei es unbürokratisch, wenn Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit erfasst werden müssten, sagte Zimmer. »Monster sehen anders aus.«

Die SPD-Sozialpolitikerin Katja Mast sagte, erst die Pflicht zu einer solchen Dokumentation sorge dafür, »dass die ehrlichen Arbeitgeber nicht die Dummen sind«. Die CDU-Sozialpolitikerin Christel Voßbeck-Kayser betonte, Firmen des Mittelstands wollten zwar weniger Probleme mit dem Mindestlohn haben - an ihm aber nicht komplett rütteln. »Wir in der CDU werden im Interesse der Betroffenen diese Debatte führen.«

Bundestag beschließt Mietpreisbremse

Der Bundestag hat am Donnerstag in Berlin mit den Stimmen von Union und SPD die Mietpreisbremse beschlossen. Die Opposition enthielt sich der Stimme, weil sie zwar die Absicht unterstützt, die Mietsteigerungen zu dämpfen, das Gesetz aber für weitgehend wirkungslos hält. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verteidigte den von ihm vorgelegten Entwurf, auf den sich Union und SPD erst in der vergangenen Woche endgültig verständigt hatten.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Caren Ley, hielt Maas vor, das Gesetz sei von vornherein so ausgehöhlt worden, dass voraussichtlich nur 2,5 Prozent aller Mieter etwas davon hätten. Die Mietpreisbremse hätte flächendeckend und unbefristet eingeführt werden müssen, erklärte sie. Auch die Ausnahmen für Neubauten und umfassend sanierte Wohnungen gehen der Linksfraktion gegen den Strich. Luxusmodernisierungen seien schon heute der Hauptgrund für die Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen, kritisierte Ley.

Die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast, warf Union und SPD vor, viel zu lange für die Einigung über die Mietpreisbremse gebraucht zu haben. In den anderthalb Jahren seit Regierungsantritt hätten die Vermieter die Mieten noch einmal stark erhöht. Die Koalition habe zudem bisher nichts unternommen um sicherzustellen, dass in den Ballungsgebieten bezahlbare Wohnungen gebaut werden, kritisierte Künast. Das Gesetz zur Mietpreisbremse sei »mehr Loch als Käse«.

Die Mietpreisbremse im Bundestag

Der Bundestag will die Mietpreisbremse am Donnerstag verabschieden. Wo sie greifen soll, können die Länder für fünf Jahre festlegen. Dafür sind bestimmte Gebiete als »angespannte Wohnungsmärkte« zu definieren. Bei einem Mieterwechsel darf die neue Miete dort künftig maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Hohe Mietsprünge von 20 Prozent und mehr gibt es in begehrten Vierteln vieler Großstädte, aber auch in einigen Uni-Städten. Die Neuregelung soll voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft treten.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Wohnen darf nicht zu einem Luxusgut werden.« Die Bremse helfe, den rasanten Anstieg der Mieten an vielen Orten einzudämmen. »Mietpreise werden sich nicht mehr so einfach hochschaukeln können wie bisher.« In Zukunft habe zudem derjenige den Makler zu bezahlen, in dessen Auftrag der Vermittler tätig wird. »Die bisherige Praxis, dass der Makler für den Vermieter einen Mieter sucht und die Kosten dann auf den Mieter abwälzt, wird nicht mehr möglich sein.«

Fünf Millionen Wohnung sollen unter die Mietpreisbremse fallen

Die geplante Mietpreisbremse soll nach Angaben von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) jedes Jahr mehreren Hunderttausend Mietern zugutekommen. »Wir gehen davon aus, dass die Mietpreisbremse in Deutschland für fünf Millionen Wohnungen greifen kann und über 400 000 Mieterinnen und Mieter pro Jahr auch in den Genuss der Mietpreisbremse kommen können«, sagte Maas am Donnerstag bei der abschließenden Beratung über das Gesetzesvorhaben im Bundestag. »Das, finde ich, ist ein großer Fortschritt.«

Opposition bezeichnet Mietpreisbremse als wirkungslos

Die Opposition kritisiert die geplante Mietpreisbremse als wirkungslos. Das Gesetz sei ausgehöhlt wie ein Schweizer Käse und werde am Ende kaum Wirkung entfalten, sagte Linksfraktionsvize Caren Lay am Donnerstag bei der abschließenden Beratung über das Vorhaben im Bundestag. Sie bemängelte, dass die Mietpreisbremse nur zeitlich befristet und begrenzt auf bestimmte Regionen eingeführt werde. Außerdem gebe es zu viele Ausnahmen. Lay sagte voraus, nur wenige Mieter würden davon profitieren. Der Begriff Mietpreisbremse sei irreführend. »Herausgekommen ist gerade mal eine kleine Handbremse.«

Auch die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), sagte: »Diese sogenannte Bremse hat kaum Wirkung.« Das Gesetz sei eine Mogelpackung, habe zu viele Ausnahmen und komme viel zu spät. Viele Vermieter hätten in der Zwischenzeit noch die Preise erhöht. »Dies ist allenfalls ein Bremschen«, sagte Künast.

Das Gesetz sieht vor, dass bei einem Mieterwechsel die neue Miete künftig maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen darf. In welchen Regionen diese greift, sollen die Länder für fünf Jahre festlegen können. Wird bei der Wohnungsvermittlung ein Makler eingeschaltet, soll bei den Kosten dafür in Zukunft das Prinzip gelten: »Wer bestellt, bezahlt.«

Mehrere Bundesländer mit großen Ballungsräumen und Universitätsstädten wollen die Mietpreisbremse schnell anwenden. In Berlin soll sie vom ersten möglichen Tag an für die gesamte Stadt gelten. »Die Vorlage liegt schon in der Schublade«, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Andere Länder müssen erst noch festlegen, welche Städte oder Stadtteile einbezogen werden sollen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Agenturen/nd

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