Stockschläge für ein Gemälde
Graffiti-Künstler sollen in Singapur für eine bemalte U-Bahn körperlich gezüchtigt werden
Singapur. Weil sie in ein U-Bahn-Depot in Singapur eingedrungen und einen Waggon mit Graffiti besprüht haben, müssen zwei Deutsche ins Gefängnis und eine Prügelstrafe über sich ergehen lassen. »Die Strafe liegt bei insgesamt neun Monaten Haft und den obligatorischen drei Stockhieben«, erklärte Richter Liew Thiam Leng am Donnerstag in Singapur. Die beiden Männer hatten sich schuldig bekannt und um Gnade gebeten.
Die beiden 21 und 22 Jahre alten Deutschen waren im November in ein U-Bahn-Depot in Singapur eingedrungen und hatten einen Waggon mit Graffiti besprüht. In dem vollbesetzten Gerichtssaal erschienen sie am Donnerstag in Handschellen und in weißbraune Gefängniskluft gekleidet. Sie hatten darum gebeten, vor der Urteilsverkündung direkt mit dem Richter sprechen zu dürfen.
Die Tat gaben sie zu und sprachen von einem »dummen Fehler«. »Dies ist die dunkelste Episode in meinem ganzen Leben, ich bin wütend über mich selbst und meine unkluge Tat, und ich will mich beim Staat Singapur für diesen dummen Fehler entschuldigen«, sagte der 22-Jährige auf Englisch. Sein 21-jähriger Freund versprach, »so etwas nie wieder zu tun«. Er entschuldige sich nicht nur bei dem Stadtstaat, sondern auch bei seiner Familie, die er in diese »beschämende Situation« gebracht habe.
Laut Staatsanwaltschaft trafen die beiden Deutschen am 4. November 2014 von Australien aus in Singapur ein. Das U-Bahn-Depot hätten sie einige Tage später ausgekundschaftet, bevor sie erneut dort eingedrungen und den Waggon mit Graffiti besprüht hätten.
»Die Beweise zeigen, dass die Tat nach genauer, minutiöser, überlegter und sorgfältig ausgearbeiteter Planung begangen wurde«, erklärte Staatsanwalt Timotheus Koh. Beide hätten zudem ein Foto von sich vor dem Waggon gemacht, das als »Trophäe« dienen sollte. Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass die Säuberung des Waggons umgerechnet 9000 Euro kostete.
Die beiden Männer waren nach der Aktion aus Singapur geflohen. Auf dem Flughafen der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, von wo aus sie nach Australien weiterreisen wollten, wurden sie festgenommen. Malaysia lieferte sie später an Singapur aus. Die harten Strafen des südostasiatischen Stadtstaates bei Sachbeschädigung sind seit langem bekannt.
Vandalismus wird mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldbuße von umgerechnet 1300 Euro bestraft. Zudem drohen bei diesem Straftatbestand laut Gesetz drei bis acht Stockhiebe - eine Bestrafung, die aus der britischen Kolonialzeit stammt. Die Schläge werden mit einem Stock aus Rattan auf die Hinterseite der Oberschenkel gleich unterhalb des Gesäßes erteilt und können bleibende Narben hinterlassen.
Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, die Bundesregierung respektiere die Verfahrenshoheit Singapurs. »Sie spricht sich jedoch weltweit, das heißt auch in Singapur, gegen körperliche Züchtigung als eine Form der Strafe aus«, hieß es weiter. Das habe die Bundesregierung deutlich gemacht. Die beiden Deutschen würden von der Botschaft Singapur konsularisch betreut. Diese stehe mit den Behörden, dem Anwalt und den Angehörigen in engem Kontakt.
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