Lohndumping im Hardturmpark
Gewerkschaft Unia weist auf Häufung von Skandalen in der Schweizer Baubranche hin
Nach dem Wegfall der Kursuntergrenze des Franken im Januar wurden Schweizer Waren im Ausland erheblich teurer und sind daher schwerer absetzbar. Unternehmen nutzen die Verschlechterung der Wettbewerbssituation aus, um ihre Abbau- und Bereicherungspolitik zu verschärfen. Ausgeweitet werden Kurzarbeit, Entlassungen, Arbeitszeitverlängerungen und Lohnsenkungen. Das Problem besteht aber bereits seit längerem.
Der starke Franken trifft vor allem die Industrie. Eine ganze Reihe von Firmen habe »längere Arbeitszeiten für gleichen Lohn, Auslagerungen, Entlassungen etc. angekündigt oder bereits vollzogen«, meint Lorenz Keller von der größten Einzelgewerkschaft in der Schweiz, Unia. In der letzten Zeit bestreikte diese in Zürich mehrere Baustellen wegen Lohndumpings. Im Hardturmpark wurde monatelang für Löhne von teilweise 10 Franken (ca. 9,40 Euro) pro Stunde gearbeitet - der niedrigste Tariflohn liegt bei 25,85 Franken. Aktuell kämpft Unia gemeinsam mit kantonalen Meisterverbänden gegen die Gips- und Trockenbaufirma Goger-Swiss in einem neuen Skandal.
Es ist eine häufige Praxis in der Baubranche: Über Subunternehmerketten wird versucht, Lohndumping zu vertuschen. So gibt es meist eine Stammbelegschaft, die nach dem Manteltarifvertrag für das Bauhauptgewerbe bezahlt wird. Gleichzeitig werden viele Arbeiten in langen Ketten von Auftragsvergaben an Subunternehmen ausgelagert, die niedrige Löhne zahlen. Fliegt dies bei Kontrol- len auf, werden die Subunternehmen einfach ausgewechselt.
Nicht nur Zürich ist davon betroffen. In Basel gab es letzten Sommer Schlagzeilen wegen Dumpinglöhnen bei einem polnischen Subunternehmen auf der Großbaustelle für das Hochhaus des Pharmakonzerns Roche. Fassadenbauer streikten, weil hier teilweise bis zu 60 Stunden pro Woche für 12 Franken Nettolohn gearbeitet wurde. Daraufhin wurden Teile der ausstehenden Löhne gezahlt. Im Nachbarkanton Basel-Landschaft wäre wohl schneller eingeschritten worden, denn dort gibt es eins der schärfsten Aufsichtsgesetze gegen Lohndumping in der Schweiz. Nach diesem Vorbild hatte die Unia Zürich im Frühjahr 2014 Unterschriften für eine kantonale Volksinitiative gegen Lohndumping gesammelt - nach nur 33 Stunden waren die notwendigen Unterschriften zusammen. Pläne für eine Volksinitiative hat auch die Unia Nordwestschweiz in Basel.
Nicht nur der »starke Franken« ist schuld am Lohndumping. Eigentlich sollen die vor gut zehn Jahren im Rahmen der Personenfreizügigkeit eingeführten Flankierenden Maßnahmen (FlaM) die Löhne und Arbeitsbedingungen der von ausländischen Unternehmen für eine Dienstleistung vorübergehend in die Schweiz entsandten Arbeitskräfte schützen. Darin geregelt sind Mindestlöhne, Meldeverfahren und die Höhe der Sanktionen gegen Arbeitgeber, die dagegen verstoßen. Aber Firmen finden immer wieder Lücken, die Regelungen zu umgehen. »Die FlaM sind eine Schönwetterlösung, die der Realität auf den Baustellen nicht gerecht wird. Sie sind von den Kontrollen beim Beginn bis zu den Sanktionierungsmöglichkeiten zu schwach, um das völlig überbordende Problem von Lohndumping zu bekämpfen«, kritisiert Gewerkschafter Keller.
Seit der Annahme der Volksinitiative »Gegen Masseneinwanderung« im Februar 2014 ist die Zukunft von FlaM zudem ungewiss. So lange die Umsetzung der Initiative nicht geregelt ist, bleiben sie zwar bestehen - in welcher Form sie bei der Begrenzung der Einwanderung durch Einführung eines Kontingentsystems weitergeführt werden können, ist unklar.
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