Wo kein Gesetz, da auch kein Gesetzesbruch

Daniel Lücking über einen langen Tag im NSA-Ausschuss

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Zeugen. Gut 10 Stunden Sitzungsdauer im öffentlichen Teil. Der Erkenntnisgewinn: marginal. Überraschend war der Verlauf des NSA-Ausschuss am Donnerstag jedoch nicht. Am wenigsten für das Kanzleramt.

Viel zu tun gab es offenbar am Rande der 41. Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Erstmals waren die Vertreter des Kanzleramts, Philipp Wolff, und des Bundesinnenministeriums, Torsten Akmann während der Zeugenaussage nicht durchgängig anwesend.

Auffällig, denn sonst schwebt der Finger von Herrn Wolff während der Befragungen stets über dem Mikrofon-Knopf, um Zeugen zu bremsen. Die Worte »Bitte nur in nicht-öffentlicher Sitzung« oder »das ist nicht Teil der Aussagegenehmigung« fehlten bei der 41. Sitzung ebenso, wie die überwiegend abwesenden Herren Akmann und Wolff.

Zeugen mit Beamteneid

Über Stunden belehrte Zeuge Nummer eins im Stil eines Nörgelrentners die Parlamentarier. Der Pensionär zeigte sich vom korrekten Handeln des Dienstes überzeugt. Überdeutlich hielt er den Parlamentariern vor, sie könnten doch keine Rechtsverletzung prüfen, wo es keine Gesetze oder Vorschriften gebe, die ein Mitarbeiter des BND verletzen kann. Im Klartext: die Graubereiche, in denen der BND handelt, sollen lieber vom Parlament gerechtfertigt werden, statt die Mitarbeiter des Dienstes für Fehler zu rügen, die mangels Regelung doch gar keine Fehler sein könnten.

In Vorbereitung auf die Sitzung hatte der Pensionär ein mehrere Seiten langes Eingangsstatement verfasst. Er hatte Sachverhalte aufgearbeitet und recherchiert, manches präsent und nach Aktenvorhalt schloss sich dann auch die eine oder andere Wissenslücke vor den Augen der Zuschauer.

Auch Zeuge Nummer zwei war angetreten, um den Parlamentariern zu bestätigen, dass alles rechtmäßig verlaufe. Schließlich hätten alle Akteure beim BND den Beamteneid geleistet und aus seiner nun bereits fünf Jahre umfassenden Aktivität als G10-Jurist seien ihm keine Unregelmäßigkeiten bekannt. Die Rechtsexegese, die der Zeuge mit einem langen Eingangsstatement starten wollte, wurde dann aber doch durch die Mitglieder des Ausschusses in Fragen umgelenkt.

Das passende Verfassungsgerichtsurteil gleich mit dabei

Dabei verlor der Zeuge sichtlich an Schwung, vergaß aber nicht die Kernpunkte, die offenbar auch für Zeuge Nummer eins »wichtig« waren. Beide beriefen sich unabhängig voneinander auf zwei plastische Beispiele aus der Arbeit des BND: Ihr rechtlich einwandfreies Handeln leiteten beide Zeugen sehr offensiv aus dem Verfassungsgerichtsurteil von 1999 her. Zeuge eins hatte dazu extra eine Seite aus der Süddeutschen Zeitung mitgebracht, um sie den Parlamentariern quasi im umgekehrten Aktenvorhalt zu präsentieren.

Passend zur beginnenden Motorradsaison griffen beide Zeugen in die gleiche Kiste erfolgreicher BND-Operationen: die Rettung der entführten Motorradfahrer 2003. Für den damals aktiven Pensionär sicherlich eine prägende Erfahrung – für den erst 2009 in den BND eingetretenen G10-Juristen vermutlich nur ein Schulungsbeispiel?

Zahlen, Fakten, Wahrnehmung – alles relativ

Der G10-Jurist machte in seiner Aussage deutlich, die Masse der durch den BND erfassten Daten habe angesichts der weltweit verfügbaren Datenmenge keinerlei Relevanz. Davon ist der überzeugte Beamte am Anfang seiner BND-Karriere sicherlich auch nicht abzubringen.

Die größte Blamage für den BND spielte sich jedoch auf einer anderen Ebene ab. Zeuge eins brachte sehr offensiv - der G10-Jurist hingegen weniger deutlich - zum Ausdruck, wie lästig ihnen diese parlamentarische Kontrolle ist. Deutlich diskreditierende Worte gingen in Richtung der Presse und auch sachkundige Blogger wurden als unqualifizierte Schmierfinken dargestellt.

»Sie kennen das: zwei Juristen – drei Meinungen.« - der Versuch des G10-Juristen, halbwegs locker zu erklären, wie die Rechtsauffassungen zustande kommen. erweckte den Eindruck, dass einfach solange im Pool an verfügbaren juristischen Interpretationen gefischt wird, bis der Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist.

Die Fähigkeit zur Selbstkritik fehlt den Mitarbeitern gänzlich. Oder bleibt ein öffentliches Eingeständnis nur dem BND-Präsidenten vorbehalten, der längst hätte sagen müssen: »Die NSA-Affäre hat gezeigt, dass der BND große Probleme hat die Rechtmäßigkeit seines Handelns in der Öffentlichkeit zu belegen.«

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