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Herr Sanremo aus Erfurt

John Degenkolb fordert mehr Anerkennung nach seinem Klassikertriumph in Italien

  • Tom Mustroph, Sanremo
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Erfurter John Degenkolb hat sich durch den Sieg beim Radklassiker Mailand-Sanremo in der Weltspitze etabliert.

Seit seinem Sieg am Sonntag heißt John Degenkolb »Herr Sanremo«. So titulierte ihn zumindest die »Gazzetta dello Sport«, Zeitung des Rennausrichters RCS. Sie konstatierte zugleich, dass mit dem Sieg Degenkolbs beim der Fahrt von Mailand bis ans Mittelmeer tatsächlich eine neue Ära des deutschen Radsports anbreche. Denn Degenkolb ist nicht »nur« reiner Sprinter wie etwa Marcel Kittel oder André Greipel. Er kann auch auf dem ursprünglichsten Terrain des Straßenradsports, den Eintagesklassikern, die Weltspitze mitbestimmen.

»Jetzt hoffen wir, dass dieser Sieg ihm einen weiteren Schub gibt für die nächsten Klassiker in Belgien. Hier fehlt ihm noch ein winziger Schritt«, blickte Marc Reef, sportlicher Leiter des neuen deutschen Erstligateams Giant Alpecin, auf die nächsten Wochen voraus. Degenkolb fühlt sich eigenen Angaben zufolge »mental stark« und gerüstet für diese Aufgaben. »Ich bin bereit für alles, was da kommt«, versicherte er.

Am Sonntag hat er sich endgültig unter den Besten etabliert. Für bergfeste Sprinter wie ihn ist ein Klassikertriumph gewichtiger als Etappensiege bei großen Rundfahrten. An solchen Monumenten gibt es schließlich nur fünf. Neben Sanremo sind das Paris-Roubaix und die Flandernrundfahrt, wo Degenkolb jetzt ebenfalls zu den Favoriten zählt, sowie Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Lombardeirundfahrt.

Der Frankfurter weiß, was er nun für Erwartungen weckt. Im Gegensatz zum Pulheimer Gerald Ciolek, der vor zwei Jahren als Außenseiter seinen großen Coup in Sanremo landete, gehörte Degenkolb zu den Favoriten. Er hielt dem Druck nicht nur stand, er verhielt sich das gesamte Rennen über auch sehr clever. »Es kam darauf an, dass man Kräfte spart, Kräfte spart und wieder Kräfte spart, um dann im entscheidenden Moment da zu sein«, erläuterte der glückliche Rennstallchef Iwan Spekenbrink die Charakteristik des Rennens. Im Zielsprint lieferte Degenkolb zudem den Nachweis, auch über ein sicheres Renngespür zu verfügen. »Vielleicht war es sogar gut, dass er keinen Teamgefährten mehr an seiner Seite hatte. Dadurch konnte er sich seinem Instinkt nach bewegen«, spekulierte Betreuer Reef.

Es warten noch viele Siege auf den Vollblutsprinter. »Natürlich wird dieser Erfolg mein Leben verändern«, blickte er voraus, versicherte aber: »Ich bin bodenständig genug, um das zu verkraften.« Das ist ihm abzunehmen. Man sah Degenkolb auf dem Podest aber auch an, wie viel ihm der Sieg bedeutete. »Im letzten Jahr hatten ich hier Tränen in den Augen wegen der größten Enttäuschung in meinem bisherigen Radsportleben«, nahm er Bezug auf den platten Reifen, der ihn 2014 am Anstieg des Poggio, des letzten Bergs, ereilt hatte. »Jetzt habe ich Tränen der Freude in den Augen«, schloss er.

Trotz solcher Enttäuschungen, die dieses Mal Sturzopfer Ciolek trafen, wird der Frühjahrsklassiker immer mehr zum deutschen Rennen. Sechsmal in den vergangenen 20 Jahren gewannen deutsche Profis. Vier Siege gehen auf das Konto Erik Zabels - stammen somit aus der tiefsten Dopingära des Radsports. Die Erfolge von Ciolek und Degenkolb fallen hingegen in eine Umbruchphase. »Ich hoffe, dass wir für das, was wir gleistet haben, jetzt etwas zurückbekommen«, forderte Degenkolb in Sanremo. Ein Wunsch ist, dass »nächstes Jahr mehr deutsche Journalisten hier sind«. Der zweite, dass »die Fans sich das Rennen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ansehen können«. Hoffnungen eines Siegers.

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