Im Zeichen der Regenbogenfahne
Der Aktivist Donny Reyes Velásquez ist in Honduras hohen Risiken ausgesetzt
»Als ich hier in der Straße die erste Polizeipatrouille sah, habe ich mich fürchterlich erschreckt. Ich brauchte etwas, um zu realisieren, dass mir von ihnen nichts droht. Das ist neu für mich«, sagt Donny Reyes Velásquez. Der 39-jährige kräftige Mann mit dem optimistisch funkelnden Blick kam im Juni 2014 in Hamburg an und in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, hatte er von der Polizei nichts Gutes zu erwarten. »2007 wurde ich von mehreren Polizeibeamten festgenommen, geschlagen, gefoltert und schließlich in eine Zelle mit 57 Insassen geworfen. Dort wurde ich mehrfach vergewaltigt. Bis heute ist keiner der Täter für diese Verbrechen verurteilt worden«, erklärt der Aktivist von Arcoiris. Regenbogen ist der Name der 2003 von Donny Reyes und seinen Mitstreitern gegründeten Organisation, die sich für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen einsetzt.
Die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuelle (LGBT) werden in Honduras systematisch verletzt, wie 171 von Arcoiris dokumentierte Fälle von Menschenrechtsverletzungen zeigen. Viele dieser Fälle hat Donny Reyes Velásquez recherchiert. Rund um die Uhr war er für Arcoiris im Einsatz und tagtäglich im Büro in der Avenida República de Chile - bis zum September 2013. Da wurde gleich zweimal binnen einer Woche im Büro eingebrochen, sämtliche Computer, alle Kameras und sonstige Ausrüstungsgegenstände waren gestohlen. »Wir waren nicht mehr arbeitsfähig und fast alle sensiblen Daten waren weg«, erklärt Reyes. Der Schock ist auch weit über ein Jahr danach noch an seinem Gesicht abzulesen. Donny Reyes ist sich sicher, dass die beiden Einbrüche minutiös vorbereitet waren und dass es sich nicht um einen normalen Einbruch handelte. »Sonst wären mehrere unserer Videokameras nicht einfach zerstört worden«, argumentiert der landesweit bekannte Aktivist.
Mehrfach musste er Honduras schon verlassen. Das erste Mal floh er mit knapp sechzehn Jahren vor der Diskriminierung durch die eigene Familie in die USA. Choloma heißt der kleine Ort im Norden, nahe der guatemaltekischen Grenze, wo er als eines von neun Kindern eines Schusters aufwuchs. Dem eigenen Vater war sein am Fußball und anderen Jungenspielen desinteressierter Sohn schon frühzeitig suspekt. »Als Maricón (Schwuchtel) beschimpfte er mich und es war meine Oma Francisca, die mich immer in Schutz genommen hat«, erinnert sich Donny, streicht sich erst eine Haarsträhne aus der Stirn und reibt sich dann über die volle, glatt rasierte Wange.
Besonders schwer haben es Schwule, Lesben und Transsexuelle in einfachen Provinzstädten wie Choloma. Schon mit acht, neun Jahren bemerkte Donny, dass er anders ist als die anderen Jungen und schon da beschimpfte ihn sein Vater. Später erst begriff er, was das abwertende Wort für Homosexuelle bedeutet und dass sein Auftreten ein Problem für den so männlich auftretenden Vater darstellte. Das ist vielen Mitstreitern von Donny so gegangen. »Die Diskriminierung beginnt meistens in der eigenen Familie und immer wieder habe ich es mit jungen Homosexuellen zu tun, die verzweifelt zu uns kommen.«
Reyes Velásquez kann die Verzweiflung gut nachempfinden, denn erst nach seiner Flucht als 16-Jähriger in die USA begriff er, dass es auch anders und ohne Unterdrückung geht. Er erlebte eine offene schwule Szene. Dann kehrte er zurück, um in Tegucigalpa zu studieren und dort begann er sich mehr und mehr für die Rechte von Homo-, Bi-, Transsexuellen und Transgender zu engagieren. Mehrfach geriet er deshalb in den Fokus von erzkonservativen Kreisen, musste vor Attentaten nach Mexiko und ins benachbarte Nicaragua flüchten.
Ähnlich riskant war die Situation auch, bevor er im Juni 2014 von der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte aus Honduras rausgeholt wurde. Da war das Büro von Arcoiris gerade umgezogen und dank der Hilfe einer niederländischen Nichtregierungsorganisation gab es auch wieder neue Computer. Trotz der Anzeigen war die Polizei nach den Einbrüchen erst gar nicht aktiv geworden. Nicht mal die Einbruchspuren wurden begutachtet. »Kein Benzin hieß es lapidar« erinnert sich Donny Reyes. Die gleiche Antwort hatte er schon einmal erhalten, als ihn im Juli 2012 ein Killer mit gezogener Waffe durch mehrere Straßen von Tegucigalpa gejagt hatte. »Es fehlt der Wille von Polizei und Politik, uns zu schützen«, kritisiert er. Das bescheinigen auch andere in Honduras tätige Menschenrechtsorganisationen wie das »Komitee der Familien von Verhafteten und Verschwundenen« (COFADEH) der Politik in dem mittelamerikanischen Land. Donny Reyes Velásquez ist trotzdem zurückgekehrt, fünf Monate vor Ablauf seines Stipendiums. »Weil ich mich inaktiv, nutzlos fühlte, weil ich wieder kämpfen wollte für unsere Rechte«, sagt er. Nun ist er wieder in Tegucigalpa im Einsatz, berät junge Homosexuelle, besucht Botschaften, wirbt um Unterstützung. Doch auch die Angst vor den Uniformierten ist wieder da.
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