Reformliste: Athen will 3,7 Milliarden einnehmen
EU-Sprecher: Verhandlungen geben »gutes Zeichen« / Gysi kritisiert Bundesregierung für Festhalten an den Kürzungsdiktaten / Weiter Gespräche über Reformliste der SYRIZA-geführten Regierung / Gläubiger pochen auf »härtere Maßnahmen«
Update 18.20 Uhr: Die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, hat mit Blick auf die angepeilten Reformen der griechischen Regierung von konstruktiven Ideen gesprochen, »die eine wohlwollende Prüfung verdienen«. Die EU müsse Griechenland »Luft zum Atmen und zur Bekämpfung der sozialen Krise im Land lassen«, sagte die Grünen-Politikerin. »Wer Griechenland die Luft abdrückt oder es aus der Eurozone herauswerfen will, treibt das Land anderen Partnern in die Arme. Das wäre – auch geopolitisch – ein enormer Schaden für Europa«, so Peter.
Update 18.10 Uhr: Mit diversen Maßnahmen will die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland 3,7 Milliarden Euro einnehmen. Das verlautete aus Kreisen des Finanzministeriums am Montag in Athen. Alleine Kontrollen der Überweisungen von Schwarzgeldern der Griechen ins Ausland in den vergangenen Jahren soll rund 725 Millionen Euro einbringen. Weitere 350 Millionen soll die bessere Erfassung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuern in die Kassen spülen. Die Staatseinnahmen für die Vergabe von Lizenzen an private Fernsehsender soll weitere 350 Millionen Euro bringen. Zudem sollen die Bürger ermutigt werden, Quittungen für ihre Einkäufe zu verlangen. Bei einer Lotterie sollen einige Quittungen Preise gewinnen. Mit dieser verlockenden Maßnahme hofft der Staat rund 270 Millionen an Mehrwertsteuern zu kassieren. Andere Beträge sollen durch die Vergabe von Lizenzen an elektronische Kasinos sowie die Einnahmen durch die Zahlungen säumiger Schuldner an den Staat (rund 255 Millionen Euro) gezahlt werden. Die Bekämpfung des Schmuggels im Bereich Treibstoffe und Tabak soll weitere 250 Millionen Euro einbringen. Schließlich sollen 1,5 Milliarden Euro aus der Teilprivatisierung von Häfen und Flughäfen des Landes in die Staatskassen fließen, hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums.
Update 14.35 Uhr: Die Linkspartei hat Schwarz-Rot vorgeworfen, auf ein Scheitern der griechischen Regierung hinzuarbeiten. Die Bundesregierung wolle in keinem Land der EU einen politischen Wechsel dulden, sagte Linken-Geschäftsführer Matthias Höhn am Montag vor Journalisten in Berlin. Es scheine die Strategie der Bundesregierung zu sein, jeden Vorschlag aus Athen abzulehnen, »um diese Regierung scheitern zu lassen«. Zuvor hatte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Gastbeitrag für das Düsseldorfer »Handelsblatt« vom Montag »offene Feindseligkeit« im Streit um die Schuldenkrise seines Landes beklagt. Höhn kritisierte, es werde nur darüber gesprochen, wie die Banken gerettet werden - und nicht etwa wie die Einkommenssituation der Menschen in Griechenland verbessert werden könnte. Würde Griechenland wirklich geholfen, würde sich auch die Frage erübrigen, ob Athen Unterstützung aus Russland bekommt. Berichten zufolge bemüht sich Athen derzeit um finanzielle Unterstützung aus Moskau. Ministerpräsident Alexis Tsipras will Anfang April in die russische Hauptstadt reisen.
Update 13.10 Uhr: Die griechische Regierung will bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen keinen Ausverkauf zulassen. Der Staat solle zumindest ein Drittel der Aktien wichtiger Unternehmen behalten, sagte ein hoher Regierungsfunktionär am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das Management soll jedoch der jeweilige Privatinvestor übernehmen, fügte er hinzu. Die Frage der Privatisierungen führt erwartungsgemäß zu Diskussionen bei SYRIZA. Vizeregierungschef Giannis Dragasakis hatte während einer Chinareise am Wochenende angekündigt, es werde bald eine Ausschreibung zur Verpachtung großer Teile des griechischen Mittelmeer-Hafens in Piräus geben. Das chinesische Transportunternehmen COSCO hatte bereits großes Interesse an der Übernahme geäußert. Wenig später erhob Vize-Schifffahrtsminister Theodoros Dritsas Einspruch: Es entspreche nicht dem Programm der regierenden SYRIZA-Partei, strategisch wichtigen Staatsbesitz zu privatisieren.
Update 13 Uhr: Vertreter Griechenlands und der internationalen Gläubiger verhandeln weiter über eine Reformliste, die Athen im Gegenzug für ausstehende Auszahlungen aus einem laufenden Kreditprogramm vorlegen soll. »Die Tatsache, dass Experten das ganze Wochenende und auch heute arbeiten, ist ein positives Zeichen«, sagte der Chefsprecher der EU-Kommission am Montag in Brüssel. Das zeige die Bereitschaft und die Ernsthaftigkeit von allen Seiten, zusammenzukommen. Die Gespräche laufen laut dem Sprecher sowohl in Brüssel als auch in Athen. Es stehen aus verschiedenen Quellen noch insgesamt 7,2 Milliarden Euro bereit. Die Zeit drängt, da die Athener Kassen fast leer sind. Laut Athener Regierungskreisen ist die Liste kein Tabu - es könnten in den Verhandlungen einzelne Maßnahmen herein- oder herausgenommen werden. Vor allem ein verstärkter Kampf gegen die Steuerhinterziehung soll dem griechischen Staat neue Einnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro bringen.
Gysi: Berliner Griechenland-Kurs muss schiefgehen
Berlin. Linksfraktionschef Gregor Gysi hat vor einem Festhalten an den Kürzungsdiktaten und der bisherigen Krisenpolitik gegenüber Griechenland gewarnt. »Wir haben jetzt die erste Regierung in der Eurozone, die diesen neoliberalen Kurs nicht fortsetzen will, der alle Reichen und Vermögenden schont«, sagte er der »Mitteldeutschen Zeitung«. Dies stoße »auf den Widerstand von 18 Regierungen, insbesondere der spanischen und der portugiesischen Regierung, weil die machen, was die Troika ihnen befohlen hat. Wenn die griechische Regierung Erfolg hat, dann kommen sie natürlich ins Schleudern.« Gysi fügte hinzu: »Ich verstehe die deutsche Regierung nicht. Mit dem Versailler Vertrag hat man versucht, Deutschland kaputt zu machen. Das hat Hitlers Aufstieg erleichtert. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Siegermächte viel klüger und haben mit dem Marshall-Plan Deutschland aufgebaut. Trotzdem verfolgt unsere Regierung in Südeuropa den Kurs des Abbaus. Das muss schiefgehen.«
Tsipras: Es gibt Kräfte, die den Bruch wollen
Linke fordert »Merkel-Plan« für Krisenländer - Parteivorsitzende Kipping kritisiert Kürzungsdiktate für Griechenland: »Da wird Demokratie ausgehebelt« / Kein Durchbruch bei Verhandlungen in Brüssel zwischen Griechenland und Gläubigern - der Newsblog vom Sonntag zum Nachlesen
Derweil wird weiter über die von der SYRIZA-geführten Regierung in Athen präsentierten Reformmaßnahmen diskutiert. Während die einen behaupten, Griechenland habe noch gar keine richtige Liste vorgelegt, erklären die anderen, die aufgelisteten Vorschläge seien nicht ausreichend. »Die Grundlage der Vorschläge wird nicht akzeptiert, umso weniger die Einzelheiten«, hieß es in der griechischen Zeitung »To Vima« am Sonntag. Der Sender Mega berichtete, die internationalen Gläubiger pochten auf »härtere Maßnahmen«.
Wie Medien melden, hat die SYRIZA-geführte Regierung unter anderem eine Steuer auf digitale Glücksspiele vorgeschlagen. Auch sollen Lizenzgebühren für TV-Konzerne nun endlich auch eingefordert werden. Der Spitzensteuersatz soll auf 45 Prozent steigen. Zudem sind die härtere Verfolgung von Öl-, Zigaretten- und Alkoholschmuggel geplant. In Berichten spielte auch der Vorschlag eine Rolle, besonders fetthaltige Lebensmittel mit einer höheren Mehrwertsteuer zu belegen.
Die »Süddeutsche Zeitung« zitiert einen Diplomaten in Brüssel mit den Worten, »die Liste ist viel zu vage und nicht nachprüfbar«.. Ein anderer EU-Beamter habe erklärt, die Athener Vertreter hätten ihre Ideen auf Griechisch verfasst, zudem seien diese sehr allgemein gehalten. In Brüssel würde auf Kritik stoßen, dass Vorschläge zu Änderungen des Pensionssystems und auf dem Arbeitsmarktes fehlten. Auch pochen die Gläubiger offenbar auf konkrete Zusagen für Privatisierungen.
Am Wochenende hieß es bereits in Berichten, auch Privatisierungen sollen nun doch vorgenommen werden. Die SYRIZA-geführte Regierung hatte Verkäufe öffentlichen Eigentums zuvor gestoppt und sich gegen den Ausverkauf des Landes ausgesprochen. Athen soll nun auch die Privatisierung des Hafens von Piräus wieder in den Blick genommen haben, hieß es. Es sei denkbar, die Mehrheit an dem Hafen binnen Wochen zu verkaufen, wird der stellvertretende Ministerpräsident Giannis Dragasakis von der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zitiert. Dragasakis ist derzeit auf Besuch in der Volksrepublik. Die chinesische Cosco Group hatte sich für den Hafen interessiert. Dragasakis sagte laut Xinhua nun, Cosco und andere Mitbewerber seien eingeladen, ein wettbewerbsfähiges Angebot vorzulegen.
Experten des griechischen Finanzministeriums waren am Freitagabend nach Brüssel gereist, um am Wochenende eine neue Maßnahmenliste abzustimmen. Sie soll Mehreinnahmen von drei Milliarden Euro bringen und das Wirtschaftswachstum für 2015 auf 1,4 Prozent treiben. Am Sonntag prüften Mitarbeiter von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) die Vorschläge den zweiten Tag in Folge auf ihre Tauglichkeit.
In Brüssel werde in »Marathon-Verhandlungen« daran gefeilt, dass Athen seinen Gläubigern am Montag schließlich doch eine »Liste mit verlässlichen und vollständigen Reformen« vorlegen könne, meldete die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur Ana. Das griechische Kabinett wollte am Sonntagabend über die Brüsseler Verhandlungen beraten. Regierungschef Alexis Tsipras rechnete am Sonntag noch mit einer raschen Lösung.
Laut »FAS« ist für Mittwoch eine Telefonkonferenz der Euro-Arbeitsgruppe angesetzt, die die Sitzungen der Euro-Finanzminister vorbereitet. Sollte bis Mittwoch eine zufriedenstellende Liste vorliegen, könnten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen in der Woche nach Ostern zu einer weiteren Dringlichkeitssitzung zusammenkommen und einen Teil der Athen zustehenden 7,2 Milliarden Euro freimachen. Agenturen/nd
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