RWI-Chef warnt Athen vor Grexit
Wirtschaftsweise Schmidt: Folgen wären enorm
Deutschlands oberster Regierungsberater in Wirtschaftsfragen hat sich im Streit zwischen Athen und Brüssel sowie Berlin zu Wort gemeldet. Würde das von Rezession und Massenarbeitslosigkeit gebeutelte Griechenland die Eurozone verlassen, hätte dies »fürchterliche« Auswirkungen auf die Bevölkerung, warnte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt. »Die Folgen für das Land wären enorm, die Regierung spielt wirklich mit dem Feuer«, sagte er am Donnerstag der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung«.
Die möglichen Folgen eines »Grexit« für die übrige Eurozone spielte Schmidt indes herunter: »Wenn Griechenland sich heute durch eigenes Handeln aus dem Euro herauskatapultieren würde, bliebe der Währungsraum aller Voraussicht nach trotzdem stabil«. Die Eurozone könne dadurch sogar gestärkt werden, da insbesondere mit der Bankenunion und dem ESM-Rettungsschirm mittlerweile Krisensicherungen eingebaut seien.
Schmidt ist nicht nur Vorsitzender des fünfköpfigen »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung«, der umgangssprachlich auch »Wirtschaftsweise« genannt wird und jährlich für die Bundesregierung den Jahreswirtschaftsbericht verfasst. Der Ökonom leitet auch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen.
Dieses Institut gilt als sehr wirtschaftsfreundlich. So erstellte das RWI im Sommer 2012 für die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) eine Studie zur Energiewende, mit deren Hilfe die INSM eine Kampagne gegen die damalige Förderung erneuerbarer Energien durchführte. Auch lassen sich Mitglieder des RWI in anderen neoliberalen Thinktanks wiederfinden. So Verwaltungsratmitglied Justus Haucap oder Forschungsbeiratsmitglied Lars P. Feld, die beide auch Mitglied des »Kronberger Kreises« der Stiftung Marktwirtschaft sind. Mit der Devise »mehr Mut zum Markt« will diese Vereinigung von Ökonomen ein »Ausufern staatlicher Bevormundung« verhindern.
Als logische Konsequenz seiner Ausführungen zum »Grexit« forderte Wirtschaftsweisen-Boss Schmidt, dass die Regierungen der Eurozone nicht auf die SYRIZA-geführte Regierung in Athen zugehen. »Der schlechteste und teuerste Weg wäre es, den Forderungen aus Athen nachzugeben, um den ›Grexit‹ um jeden Preis zu verhindern«, warnte er. Dabei gestand Schmidt bereits Mitte März, dass er ein Nachgeben weniger aus wirtschaftlichen als vielmehr aus politischen Gründen ablehnt. Schließlich seien die ökonomischen Folgen eines »Grexit« weniger gefährlich als die Möglichkeit, »dass politische Strömungen, die vermeintlich leichte Auswege aus der Krise versprechen, in Europa mehr Zulauf erhalten könnten, wenn man zulassen sollte, dass die vertraglichen Vereinbarungen der Rettungspakete ohne Konsequenzen einseitig aufgekündigt werden«, so Schmidt damals gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Kommentar Seite 4
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