Industrie 3.1
Kurt Stenger über den aktuellen Modetrend der Wirtschaftslobby
»Industrie 4.0« ist vor allem eines - ein PR-Schlagwort: Das An-die-Wand-Malen einer vierten industriellen Revolution beschert Wirtschaftsberatungsfirmen sowie Forschungseinrichtungen üppige Aufträge und halbseidenen Zukunftsforschern sowie langweiligen Industriemessen die ersehnte mediale Aufmerksamkeit. Die Politik propagiert es, um die nationale Industrie zu Lasten der ausländischen Konkurrenz mit Fördermitteln aufzupäppeln. Unternehmen liefert es den willkommenen Vorwand für eine weitere Verdichtung der Arbeit. Und die Elektronikfirmen überschwemmen selbst gesättigte Märkte mit immer neuen, ach wie »smarten« Produkten.
Der Begriff ist schwammig: Für die einen bedeutet er vernetzte Maschinen in der Industrie, für andere die Individualisierung von Produkten und für wieder andere die nachhaltige Ummodelung der Wirtschaft. Ähnliche Debatten wurden schon im Zuge der beginnenden Computerisierung vor über 20 Jahren geführt, wobei wenig realisiert wurde. »Industrie 4.0« ist also maximal »Industrie 3.1« - die Weiterentwicklung der Automatisierung in den Fabriken. Ob internetfähige Kühlschränke und selbstfahrende Autos je mehr sein werden als technische Spielereien, wird dadurch entschieden, ob sie sich profitabel herstellen und vermarkten lassen. Denn eines ist gewiss: Auch der digitalisierte Kapitalismus bleibt kapitalistisch.
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