Vorschnelle Freude

Andreas Koristka über die leichtsinnige Senkung des Rundfunkbeitrags und ihre dramatischen Folgen

Andreas Koristka  ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.

Die Freude im Land ist allgegenwärtig. Zum 1. April wurde der Rundfunkbeitrag gesenkt. Volle 48 Cent spart nun jeder Haushalt monatlich. Sicherlich, das klingt zunächst nach einer großen Summe. Und trotzdem: Einige wenige, die überhaupt keinen Fernseher besitzen, werden weiterhin meinen, zu viel für nichts zu bezahlen. Jenen sei gesagt, dass sie, vorausgesetzt die gesparte Gebühr - immerhin 5,76 Euro im Jahr - wird eisern zurückgelegt, schon in rund zehn Jahren das Geld für einen kleinen Flachbildfernseher zusammen haben.

Doch so groß die Euphorie derzeit ist - eine vage Angst bleibt. Haben die Öffentlich-Rechtlichen zu gönnerhaft gehandelt, als sie den Beitrag senkten? Schließlich bleibt ihnen nach der Reformierung der GEZ-Gebühr nur noch eine schlappe Milliarde an Mehreinnahmen. Reicht das aus, um Jens Riewa weiterhin einen Schokopudding mit extra Schlagsahne nach Verlesung der Tagesschau spendieren zu können? Wird man sich auch in den kommenden Jahren das investigative Gesicht eines Günther Jauch leisten können? Und wird genug Kohle das sein, damit Claus Kleber täglich den Drecksjob übernimmt, die nervenaufreibende und kräftezehrende Propaganda-Arbeit der Bundesregierung zu machen?

Man kann nicht sicher sein. Vielleicht werden wir erleben, dass der Hightech-Tisch des »Heute Journals«, der mit seiner extravaganten Formgebung an das Raumschiff Enterprise erinnert und genau so teuer war, bei Ebay-Kleinanzeigen verscherbelt werden muss. Bald könnten sogar einige der Programme vollends eingestampft werden. Das großartige ZDFkultur hat es bereits erwischt. Es wird in absehbarer Zeit verschwinden. Dann wird die Fernsehlandschaft wieder um einiges ärmer geworden sein. Denn niemand wird uns mehr zeigen können, dass ZDF-Schlagershows der 70er und 80er Jahre der gleiche grenzdebile Rotz waren, der sie auch heute noch sind.

Was wird gar sein, wenn einmal das Geld nicht mehr ausreicht, um die Rechte der Bundesliga, des DFB-Pokals und der Champions League zu ersteigern? Dann wird niemand mehr Fußball übertragen! Fußball, zu dem schon im Rundfunkstaatsvertrag steht: »Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland haben in ihren Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen; die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten und Fußball ist zu zeigen.« Richtig so! Denn Fußball, insbesondere Fußballkommentatoren, sind für uns so wichtig wie die Luft zum Ballaufpumpen. Man möge sich nur eine Welt ohne Steffen Simon, Béla Réthy und Wolf-Dieter Poschmann vorstellen! Es wäre eine Welt, in der ein Foul auch als ein solches erkannt und benannt werden würde und in der keine auf dem Klo ausgedachten Sprüche zur Hauptsendezeit deutschlandweit übertragen werden würden.

Und könnte irgendjemand auch an den Musikantenstadl und den Eurovision Song Contest denken?! Das ist doch alles kostenintensiv! Wenn die ARD irgendwann nicht mehr die nötigen Mittel für diese Sendungen hat, dann wird sich garantiert niemand finden, der sie an ihrer statt überträgt - jedenfalls niemand, der noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Dann wären diese wunderbaren Formate für alle Ewigkeiten perdu. Aufmärsche von fröhlichen Musikanten und Auftritte selbstmordgefährdeter Singer-Songwriter müssten quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf den Festwiesen der Kleinstädte und in ihren Psychiatrien stattfinden.

Das gilt es zu verhindern. Deshalb sollten wir alle die Senkung des neuen Rundfunkbeitrags boykottieren. Ändern Sie Ihre Daueraufträge einfach nicht und überweisen Sie vorsichtshalber auch außerplanmäßig größere Beträge an ARD, ZDF und Deutschlandradio! Wenn wir alle zusammenhalten, dann können wir vielleicht die Folgen der leichtsinnigen Gebührensenkung mildern.

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