Jobcenter werden von oben fehlgesteuert

Martin Künkler über Fehler der Jobcenter und das Problem, Erwerbslose zu mobilisieren

  • Lesedauer: 3 Min.
Jobcenter werden von oben fehlgesteuert

nd: Der Aktionstag am Donnerstag richtete sich auch gegen »Missstände in den Jobcentern«. Kurz nach der Schaffung der Einrichtungen im Jahre 2005 hieß es entschuldigend: Die Gesetze seien neu, da könne es schon mal zu Fehlern kommen. Warum läuft immer noch so viel schief?
Künkler: Ein großes Problem ist die unzureichende Personalausstattung. Die Angestellten sind deshalb oft überlastet. Zudem sind die Mitarbeiter unzureichend geschult. Ein anderes Problem sind Managementfehler. Die Jobcenter werden von oben fehlgesteuert.

Also ist letztendlich die Bundesregierung verantwortlich?
Ja, durch falsche Vorgaben der Politik, aber auch durch Vorgaben der Leitungsebene. Diese Jobcenter werden ja geführt wie private Unternehmen. Nur dass nicht eine Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Die Hauptzielgröße hier ist die Summe der Leistungen, die ausgezahlt werden soll. Die soll möglichst niedrig sein. So werden wichtige Größen wie Beratungsqualität oder rechtskonforme Bescheide gar nicht erfasst.

Was müsste anders laufen in den Jobcentern?
Uns geht es um Sachen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Zum Beispiel, dass man standardmäßig eine Eingangsbestätigung bekommt, wenn man Unterlagen und Anträge einreicht. Heute ist es vielfach so, dass Unterlagen verschwinden und mehrmals eingereicht werden müssen, was dann den Leistungsberechtigten angelastet wird, die dann oft finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Dann sollte es in dringenden Notfällen auch möglich sein, vorsprechen zu können, ohne einen Termin wochenlang vorher vereinbart zu haben. In akuten Notfällen - wenn etwa die Wohnung in Gefahr ist, weil es an Geld fehlt - muss auch eine Barauszahlung vor Ort möglich sein.

Das ist bislang nicht möglich?
Nur in wenigen Jobcentern. In Oldenburg etwa steht ein Geldautomat im Gebäude. Im Bedarfsfall stellen die Mitarbeiter ein Kärtchen aus und so kann der Hilfesuchende Geld bekommen.

Oldenburg ist bekannt für seine sehr aktive Hartz-IV-Protestszene. Ist das möglicherweise ein Grund dafür, dass ausgerechnet dort ein solcher Geldautomat steht?
Wo sehr starke Erwerbslosengruppen aktiv sind, die den Jobcentern auch auf die Finger gucken und Druck machen, wie in Oldenburg, ist die Qualität der Jobcenter tendenziell besser als da, wo es solche Strukturen nicht so gibt.

Das heißt, Protest bringt in diesem Fall wirklich was?
Protest bringt konkrete Fortschritte für die Leistungsberechtigten, ja.

Trotzdem engagieren sich nur wenige Betroffene. Haben sich die mehr als sechs Millionen in ihr Schicksal gefügt?
Die Feststellung ist leider richtig. Wir als Erwerbslosenbewegung befinden uns momentan eher im Tal als auf der Spitze. Über längere Zeit in Armut zu leben, das zermürbt, raubt Energie. Auch die Energie, sich zu engagieren. Hinzu kommt die Scham. Viele der Aktionen heute fanden direkt vor den Jobcentern statt. Wir hoffen, damit auch ein Signal zur Ermutigung zu geben.

Der Aktionstag sollte bundesweit stattfinden. In den fünf neuen Ländern gab es jedoch keine einzige Aktion. Woran liegt das? Vor den Hartz-IV-Reformen protestieren doch Hunderttausende im Osten gegen die Agenda 2010.
Ich bin da ratlos. Wir haben nächste Woche ein Basistreffen mit den örtlichen Gruppen und wir wollen das da auch ansprechen.

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