»Wir Putzfrauen wollen wieder arbeiten«
Evangelia Alexaki über Ihren Protest vor der Athener Finanzverwaltung
nd: Sie sind eine von 595 Putzfrauen, die 2013 von Griechenlands Finanzbürokratie entlassen wurden. Putzten sich die Finanzämter plötzlich von selbst?
Alexaki: Nein, nun reinigen private Firmen. Wir wurden wegen des Spar- und Privatisierungskurses von einem Tag auf den anderen entlassen. Davon erfuhren wir aus dem Fernsehen. Letztlich ist die Troika dafür verantwortlich: Die Entlassungen waren Voraussetzung für weitere Hilfskredite.
Wie organisiert man hunderte Putzfrauen, die über das ganze Land verstreut leben?
Wir haben in den einzelnen Finanzämtern angerufen, nach den Telefonnummern der Kolleginnen gefragt, eine Liste erstellt und abtelefoniert. Wir trafen uns in Athen, fertigten ein Transparent und kauften einen Lautsprecher. Dann ging es los.
Evangelia Alexaki (57), Spitzname: Litsa, ist eine der Hauptorganisatorinnen der Bewegung von 595 um ihre Wiedereinstellung kämpfenden Putzfrauen aus der griechischen Finanzverwaltung. Das SYRIZA-Mitglied arbeitete 19 Jahre als Putzfrau in staatlichen Einrichtungen, zunächst in Athen, dann auf Korfu. Derzeit bereist sie Deutschland und berichtet von ihren Kampferfahrungen. Mit Alexaki sprach Marcus Meier.
Seit 21 Monaten campieren Sie nun vor dem Finanzministerium, trotz polizeilicher Übergriffe. Was ist Ihr Ziel?
Wir halten unsere Kündigung für widerrechtlich und verlangen, wieder eingestellt zu werden.
Die Troika-Experten mussten an Ihnen vorbei. Sind Sie mit denen ins Gespräch gekommen?
Nicht wirklich. Viele nutzen Nebeneingänge, um die Konfrontation mit uns zu vermeiden. Einmal fuhr Poul Mathias Thomsen (Leiter der Troika-Delegation des Internationalen Währungsfonds) vor und wir rüttelten an seiner Limousine. Er wirkte nicht wie ein mächtiger, sondern wie ein kleiner, verängstigter Mann. Er hielt die Hände schützend vor sein Gesicht. Offenbar glaubte er, dass wir in sein Auto eindringen und ihn angreifen wollten. Das wollten wir natürlich nicht.
Der heutige Finanzminister Yanis Varoufakis erklärte die Wiedereinstellung Ihrer Kolleginnen zu einer Frage von »ethischer und sozialer Bedeutung«. Wie viele sind mittlerweile in ihre alten Jobs zurückgekehrt?
Noch keine. Aber die neue Regierung hat ein Gesetz ins Parlament gebracht, das die Privatisierung unserer Arbeitsstellen aufheben wird. Danach können wir wieder eingestellt werden. Das hat SYRIZA uns auch zugesagt.
Damit geben Sie sich zufrieden?
Wir setzen momentan auf SYRIZA, weil die neue Regierung über die Zukunft Europas verhandelt. Wir Griechen wollen ein Europa der Demokratie und der sozialen Sicherheit, nicht ein Europa nach Angela Merkels Geschmack. Ich appelliere an die Menschen in Europa, andere Regierungen zu wählen. Der Kurs des Neoliberalismus muss beendet werden!
Hilft die Entlassung der Putzfrauen dem Staat bei der Haushaltssanierung?
Dadurch ergibt sich keine Ersparnis für den Staat. Wir gekündigten Putzfrauen erhalten weiterhin 75 Prozent unseres bisherigen Gehalts. Hinzu kommen die Niedriglöhne für die Frauen, die nun putzen: zwei Euro pro Stunde bei Verzicht auf Sozialabgaben. Meist handelt es sich um Mi- grantinnen, die gezwungen sind, unter diesen Bedingungen zu arbeiten.
Zahlen die privaten Putzunternehmen wenigstens ordentlich Steuern?
Diese Unternehmen sind bekannt dafür, dass sie Steuern vermeiden.
Warum wurde der rote Handschuh Symbol Ihres Protests?
Es ist unser Arbeitswerkzeug, der Putzfrauenhandschuh halt.
Manche Deutsche glauben, die Griechen seien faul und würden den lieben langen Tag nichts anderes tun, als deutsche Milliarden zu verprassen sowie in Saus, Braus und Ouzo-Rausch zu leben. Was erwidern Sie denen?
10.000 Menschen haben sich in Griechenland seit Beginn der Krise das Leben genommen. Sie waren verzweifelt, sahen keine Perspektive. Wir Griechen sind nicht faul, dieser Vorwurf kränkt uns. Wir Putzfrauen wollen wieder arbeiten und wir wollen soziale Sicherheit.
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