BND-Affäre bringt Bundesinnenminister unter Druck

De Maiziere bereits 2008 vom BND über Spionageversuche der NSA informiert / Gysi: Kanzleramt offenbar an rechtswidrigen Handlungen beteiligt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Das Bundeskanzleramt ist offenbar bereits 2008 vom Bundesnachrichtendienst (BND) über Spionageaktionen des US-Geheimdienstes NSA informiert worden. Laut einem Bericht der »Bild am Sonntag« stellte der BND bei der automatischen Überprüfung der von der NSA zugeleiteten sogenannten Selektoren schon vor etlichen Jahren Täuschungsversuche fest und informierte die Regierungszentrale in einem streng vertraulichen Bericht 2008 darüber.

Damit wusste man in Berlin deutlich früher als bisher angenommen von den Vorgängen, die in den letzten Tagen große Empörung hervorgerufen hatten. Und so gerät der damalige Kanzleramtschef und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière noch stärker in den Fokus. Der CDU-Politiker wollte sich auf Anfrage mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen nicht äußern.

Bereits am Freitag hatte Linksfraktionschef Gregor Gysi auf die Rolle des Kanzleramts in der Affäre verwiesen. »Das Kanzleramt ist das Kontrollgremium. Entweder sie haben nichts gewusst, dann funktioniert die Kontrolle nicht, das muss sich dann auch wiederum das Kanzleramt anrechnen lassen, oder sie haben es gewusst, dann hätten sie sich an rechtswidrigen Handlungen beteiligt«, sagte er im Deutschlandfunk.

In dem Vermerk an das Kanzleramt heißt es laut »BamS«, die NSA habe versucht, Wissen über die multinationalen Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter abzuschöpfen. Dies widerspreche deutschen Interessen. Daher habe der BND die Anfragen abgelehnt. Dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages liegt nach Informationen von »Bild am Sonntag« darüber hinaus ein Dokument aus dem Jahr 2010 vor, das zur Vorbereitung eines Treffens zwischen de Maizières Nachfolger Ronald Pofalla (CDU) und US-Vertretern diente. Auch darin wies der BND demnach auf die rechtswidrige Praxis der NSA hin.

2011 lieferten US-Nachrichtendienste dem Bundeskanzleramt dem Bericht zufolge sogar belastendes Material über einen leitenden Mitarbeiter der Geheimdienstabteilung 6. Der erfahrene Beamte soll angeblich Informationen an deutsche Medien weitergegeben haben. Wie die »BamS« unter Berufung auf deutsche und US-Sicherheitskreise weiter berichtet, lieferte der damalige Chef der US-Geheimdienste in Deutschland bei einem Treffen mit Vertretern des Kanzleramtes die entscheidenden Informationen. Ende August 2011 sei der deutsche Beamte nach einem persönlichen Gespräch mit Pofalla versetzt und mit Archiv-Aufgaben betraut worden.

Der Mitarbeiter wehrte sich dem Bericht zufolge gegen die Versetzung vor dem Berliner Verwaltungsgericht und stellte einen Antrag auf angemessene Beschäftigung. Er soll bis heute Mitarbeiter des Kanzleramts sein. Deutsche Ermittlungsbehörden wurden seitens des Kanzleramtes nicht eingeschaltet.

Die US-Botschaft lehnte einen Kommentar zu den Vorgängen ab. Das Kanzleramt räumte auf Anfrage der »BamS« Treffen der zuständigen Stellen im entsprechenden Zeitraum ein, wollte aber zu »Personalangelegenheiten« keine Stellung nehmen.

Nach Informationen des »Spiegel« lieferte die NSA über Jahre hinweg sogenannte Selektoren an den BND. Dabei handelte es sich unter anderem um Handynummern oder Internet-IP-Adressen, die dann vom BND zur Überwachung in verschiedenen Weltregionen eingespeist worden seien. Agenturen/nd

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