Zu schade für die Tonne
Frankreich will Supermärkten verbieten, Lebensmittel wegzuwerfen
Noch essbare Lebensmittel davor zu bewahren, als Müll vernichtet zu werden, ist eine sinnvolle Tat - sollte man meinen. Doch kürzlich wurden drei junge Menschen von einem Gericht im französischen Montpellier wegen Diebstahls verurteilt, weil sie Lebensmittel aus Abfalltonnen eines Supermarkts geholt hatten. Deren Verfallsdatum war bereits abgelaufen, doch da sie sich auf dem Gelände des Supermarkts befanden, handelt es sich nach französischem Recht trotzdem um Diebstahl. Die »Täter« kamen zwar ohne Geld- oder Haftstrafen davon, wurden aber schuldig gesprochen. Mehrere Organisationen protestierten während des Prozesses gegen die »Kriminalisierung der Armut« und prangerten die tägliche Lebensmittelverschwendung an.
Nach Angaben der französischen Energieagentur ADEME wirft jeder Einwohner Frankreichs pro Jahr 20 Kilo Lebensmittel in die Tonne, davon sieben Kilo noch verpackte Nahrungsmittel. Diese Verschwendung bedeutet einen Verlust von durchschnittlich 400 Euro pro Jahr und Haushalt. Insgesamt machen Lebensmittel jedes Jahr in Frankreich knapp 1,2 Millionen Tonnen Abfall aus.
In der vergangenen Woche legte Guillaume Garot, Abgeordneter der sozialdemokratischen Regierungspartei PS, dem Wirtschaftsministerium nach mehrmonatiger Arbeit einen umfassenden Bericht zum Thema Lebensmittelverschwendung vor, in dem er 36 zum Teil sehr konkrete Vorschläge unterbreitete. In ein Gesetzespaket umgearbeitet, sollen diese es der Regierung ermöglichen, ihr selbstgestecktes Ziel einer Senkung der Verschwendung um 50 Prozent bis 2025 zu erreichen.
»Dies erfordert einen tiefgreifenden Wandel unserer Produktions- und Konsumgewohnheiten« und eine »kollektive Mobilisierung«, so Garot. Jeder müsse sich seiner Verantwortung stellen - allen voran die Supermärkte, die täglich Tonnen von Lebensmitteln wegwerfen, deren Verfallsdatum gerade abgelaufen ist. Garot will es den Supermärkten schlicht verbieten, noch essbare Lebensmittel in die Tonne zu werfen. »Ein solches Verbot ist legitim, da es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, eine solche Verschwendung zu vermeiden.« Der Abgeordnete schlägt vor, die Supermärkte zu verpflichten, »noch essbare Lebensmittel an die Hilfsvereine abzugeben, die darum bitten«. Im Gegenzug sollen diese Lebensmittelspenden steuerlich absetzbar sein.
Zwar geben zahlreiche Supermarktketten unverkaufte und noch genießbare Produkte bereits an Lebensmitteltafeln und Suppenküchen ab, doch gab es dafür bisher keine rechtliche Basis. Vor wenigen Tagen hat der französische Senat bereits einem Änderungsantrag zugestimmt, demzufolge größere Supermärkte Konventionen mit Verbänden abschließen können. Garot jedoch will noch weiter gehen und dafür sorgen, dass solche bisher freiwilligen Spenden die Norm werden. Zudem will er auch die Vernichtung von Lebensmitteln verbieten lassen, die für Menschen nicht mehr genießbar sind - indem sie beispielsweise mit Chlor übergossen werden, wie dies heute in zahlreichen Supermarktketten üblich ist. Über neue Absatzkanäle sollen diese Lebensmittel stattdessen an Futtermittelunternehmen weitergegeben oder in Methan umgewandelt werden.
Weitere Ansätze des Berichts des Abgeordneten, der früher Landwirtschaftsminister war: Die Supermärkte könnten spezielle »Antiverschwendungsregale« schaffen, in denen Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft, zu Vorzugspreisen angeboten werden. Auch sollten die Konsumenten besser informiert und insbesondere die verschiedenen französischen Begriffe für die zum Teil missverständlichen, mehr oder weniger verbindlichen Haltbarkeitsdaten vereinfacht werden.
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