Chinesen paradieren über den Roten Platz
Gemeinsame Interessen und »strategische Abstimmung« Pekings mit Moskau / Neue »Seidenstraße« bis Duisburg
Ein politisches Signal der Annäherung Chinas und Russlands in schwierigen geopolitischen Zeit ist die Teilnahme einer 110-köpfigen Ehrenformation der chinesischen Volksbefreiungsarmee an der Parade zum 70. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg am 9. Mai auf dem Roten Platz in Moskau. Das geschehe erstmalig und demonstriere die »strategische Abstimmung« zwischen beiden Ländern, so Chinas Botschafter Li Hui in Russland. Auch noch in diesem Monat wird laut Medienberichten Chinas Präsident Xi Jinping Russland besuchen und mit Präsident Wladimir Putin über langfristige Zusammenarbeit beraten.
Ein Hauptthema wird dabei Pekings Initiative zum Ausbau einer »neuen Seidenstraße« sein. Mit ihr würde der alte eurasische Handelsweg zu neuem Leben in heutiger Dimension erweckt. Nach anfänglichem Zögern Russlands unterstützt Präsident Putin diese kaum zu überschätzende Entwicklungschance.
Allen Spekulationen zum Trotz entsteht damit zwischen China und Russland aber keinesfalls eine »Allianz« gegen Dritte. Vielmehr ging es auch in den ersten Monaten dieses Jahres immer darum, aus einer wachsenden geopolitischen Gemeinsamkeit praktische Folgerungen im eigenen Interesse zu entwickeln.
Während USA, NATO und einige EU-Staaten »traditionell« reagieren und Waffen in Krisengebiete liefern, mit dem Einsatz militärischer Mittel drohen und durch eigene Präsenz wie in Afghanistan oder über Stellvertreter wie derzeit Saudi-Arabien in Jemen machtpolitisch-militärisch die Oberhand gewinnen wollen, setzt Chinas Führung einen anderen Kurs. Auf den schwenkt auch Moskau liebend gern ein. Präsident Xi Jinping sprach Ende März auf dem »Bo'an Forum 2015« auf Chinas Ferieninsel Hainan unter Bezug auf den 70. Jah-restag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges von einer »Schicksalsgemeinschaft«, die von Ost- und Südostasien über Mittelasien bis nach Europa reiche.
Peking geht dabei langfristige Projekte an, die zu einer stabileren Sicherheitsarchitektur, moderner Wirtschaftsentwicklung und einer Verringerung des Wohlstandsgefälles in den Anrainerstaaten führen sollen. Es geht um die Schaffung eines breiten Wirtschaftsgürtels entlang dieser »neuen Seidenstraße« - der Eisenbahnlinie, die in Chongqing, Chengdu (Südwestchina) und Zhengzhou (Zentralchina) beginnt. Sie führt über Westchina, Kasachstan, Russland, Belorussland und Polen schließlich bis in die deutsche Stadt Duisburg. In möglichst großem Umfang werden in diese Vorhaben Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan einbezogen. Bereits seit 2011 wird rings um diesen Verkehrskorridor vor allem von chinesischen und russischen Unternehmen investiert.
Infrastrukturbauten entstehen. Zugleich wird eine »maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts« so ausgebaut, dass der Seeweg von Chinas Küste in Richtung südostasiatische Staaten, Bangladesch, Indien, Pakistan, der arabischen Staaten bis ins Mittelmeer und nach Ostafrika sicher befahren werden kann.
Gesetzt wird auf Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und damit zugleich militärische Entspannung. Die »Shanghai Cooperation Organization« (SCO) als politisch bedeutende Regionalorganisation gewinnt damit an Einfluss. China, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan sind die Träger dieses Zusammenschlusses. Peking ist sehr daran interessiert, dass die zentralasiatischen Nachbarstaaten stabil bleiben, denn gemeinsam mit ihnen soll der Westen Chinas entwickelt werden.
Ebenso geht es Russland darum, in der Region vertrauensbildende Maßnahmen durchzusetzen und grenzübergreifend den bilateralen Handel nun endlich in bedeutenderen Größenordnungen zu fördern. Bereits 2009 hatte China bekannt gegeben, dafür über zehn Milliarden Dollar an Krediten bereitzustellen. Indien und Pakistan haben im September 2014 ihre Aufnahme in die SCO beantragt. Diese wird auf deren Gipfeltreffen im Juli 2015 im russischen Ufa erwartet.
Für Russlands SCO-Präsidentschaft in diesem Jahr ist diese Entwicklung ein wertvoller Erfolg. Er ist wohl auch darin begründet, dass Putin und Xi im Jahr 2014 fünf Mal zusammentrafen und ihre Zusammenarbeit im Detail abstimmten. Das bezieht sich vor allem auf Schritte im Rahmen der G 20 und der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), ihr Wirken als Ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und als Kernwaffenmächte.
Übereinstimmung gibt es auch im Streben nach Verhandlungslösungen im Atomstreit mit Iran, einem koordinierten Vorgehen gegen islamistischen Terror und einem Ende des Bürgerkrieges in Syrien.
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