DGB verteidigt Mindestlohn
Mai-Kundgebungen im Zeichen der Diskussionen um die Lohnuntergrenze - Naziüberfall in Weimar
Hunderttausende Menschen sind in ganz Deutschland am Freitag für eine gerechtere Arbeitswelt auf die Straße gegangen. An den mehr als 470 Veranstaltungen zum »Tag der Arbeit« beteiligten sich 402 000 Menschen, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mitteilte. Auf der zentralen Maikundgebung in Berlin unter dem Motto »Die Arbeit der Zukunft gestalten wir« forderte DGB-Chef Reiner Hoffmann mehr Wertschätzung für Arbeit und Arbeitnehmer ein. Zudem drängte Hoffmann auf die Einhaltung des Mindestlohns in allen Branchen. »Wir werden eine Aushöhlung des Mindestlohns nicht zulassen«, sagte er am Freitag in Berlin auf der zentralen Mai-Kundgebung. Er sprach vor mehreren tausend Menschen, die sich vor dem Brandenburger Tor zu der traditionellen Kundgebung versammelt hatten. Die Demonstranten hatten sich am Vormittag am Hackeschen Markt versammelt und zogen dann in Richtung Pariser Platz. Auf Plakaten forderten sie sichere und faire Arbeit sowie ein »Nein zu Spardiktaten und Nationalismus«. Hoffmann sagte in seiner Rede, es sei völlig abstrus, mit welchen Argumenten Arbeitgeber und Teile von CDU und CSU gegen den Mindestlohn agitierten. »Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro, der seit Januar gilt, konnte nach zehn Jahren Auseinandersetzung ein historischer Erfolg errungen werden.« Er beklagte, dass sich Deutschland nach Lettland den größten Niedriglohnsektor in Europa leiste.
Bsirske plädiert für aktiven Sozialstaat
In Essen plädierte Frank Bsirske auf der NRW-Kundgebung für einen von starken Gewerkschaften flankierten »aktiven demokratischen Sozialstaat« und eine andere Steuerpolitik. So forderte der Bundesvorsitzende der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine stärkere Besteuerung der Vermögen und Erbschaften der »Reichen und Superreichen«. Wenn Deutschland hierbei auf europäischem Durchschnitt läge, würde der Staat 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr verzeichnen. Was Investitionen in den von ihm als zentral empfundenen Bereichen Bildung, Pflege und Infrastruktur betrifft, rief Bsirske dazu auf, neue Schulden aufzunehmen, da die Zinsen einladend niedrig seien. Der Gewerkschafter schwor seine Zuhörer auf verschärfte Auseinandersetzungen um den Mindestlohn ein und verwies dabei unter anderem auf ein Schreiben von Wirtschaftsverbänden, in dem ein »Belastungsmoratorium« für die Wirtschaft gefordert wird.
Öffentlicher Dienst im Mittelpunkt
In Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden hatte der DGB zur Maikundgebung vor der Hessischen Staatskanzlei aufgerufen. Hier hatten schon in den vergangenen Wochen mehrere gewerkschaftliche Großkundgebungen im Rahmen der Tarifauseinandersetzung für den Öffentlichen Dienst in Hessen stattgefunden. Ein zentrales Thema in Redebeiträgen aus den Reihen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: die Solidarität mit den Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten und die Vorbereitung auf die für die kommende Woche anberaumte Urabstimmung, die auch in Wiesbaden einen längeren und härteren Arbeitskampf in den kommunalen Kindertagesstätten einleiten könnte. In den vergangenen Wochen hatten jeweils mehrere tausend Beschäftigte aus diesem Bereich in Hessen und Rheinland-Pfalz in landesweiten Kundgebungen ihre Streikbereitschaft bekundet.
Protest gegen Niedriglöhne in Mecklenburg-Vorpommern
Bei den Mai-Kundgebungen in Mecklenburg-Vorpommern haben rund 5000 Menschen für faire Löhne demonstriert. Bei den Veranstaltungen, die in diesem Jahr unter dem Motto »Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!« stand, ging es unter anderem um den Mindestlohn. In Schwerin warb Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) für eine Stärkung der Tarifpartnerschaft. »Wir befinden uns in Deutschland in einem schärfer werdenden Wettbewerb um gute Fachkräfte«, sagte er laut Pressemitteilung. »In diesem Wettbewerb werden wir nur mithalten können, wenn auch die Löhne bei uns konkurrenzfähig sind.« Als Niedriglohnland werde Mecklenburg-Vorpommern keine Chance haben. Der Nordosten hat bisher das niedrigste Einkommensniveau bundesweit.
IG-Metall warnt vor Pegida
Das Vorstandsmitglied der IG Metall Hans-Jürgen Urban warnte in Dresden vor einem Zusammenhang zwischen Sozialabbau und dem Erfolg von Rechtspopulisten. »Wer die ›Pegida'-Bewegung eindämmen‹ will, der muss in den Sozialstaat investieren«, erklärte er. Es gebe eine tiefe Unzufriedenheit vieler Menschen mit den sozialen Verhältnissen. Wer dem Rechtspopulismus den Nährboden entziehen wolle, müsse diese Verhältnisse ändern, sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Metallgewerkschaft.
Nazis attackieren DGB-Demo in Weimar
Rechtsextreme haben die Maikundgebung des DGB in Weimar überfallen. Dabei wurden vier Menschen leicht verletzt, wie eine Polizeisprecherin am Freitag in Erfurt bestätigte. Insgesamt 29 der etwa 50 Angreifer aus der rechten Szene seien anschließend beim Versuch festgenommen worden, mit in einer nahe gelegenen Tiefgarage abgestellten Fahrzeugen zu flüchten. Die Angreifer waren kurz vor 11 Uhr auf den Marktplatz gestürmt und hatten die dortige DGB-Maikundgebung zunächst mit Rufen und Plakaten gestört. Einzelne Täter betraten anschließend die Bühne und entrissen dem Weimarer Oberbürgermeister und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider das Mikrofon. Vertreter der Stadtverwaltung Weimar und von Gewerkschaften äußerten sich entsetzt über die Vorfälle. IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild mahnte, ausgerechnet vor den Toren des Konzentrationslagers Buchenwald dürfe »sich der braune Mob nicht breit machen«. Nach Informationen aus der Stadtverwaltung kamen die Täter zumeist aus Sachsen. Mitgeführte Schilder machten ihre Verbundenheit mit der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« deutlich, hieß es. nd/oef/mei/Agenturen
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