Morgendämmerung im Sondergericht
Prozess gegen rechtsradikale griechische Partei Chrysi Avgi soll erneut im abgeschiedenen Korydallos fortgesetzt werden
Auch der dritte Prozesstag gegen die der rechtsradikale Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) wird an diesem Dienstag im abgelegenen Hochsicherheitsgericht von Korydallos stattfinden. Alle bisherigen Initiativen für eine Verlegung in Griechenlands Hauptstadt - sowohl vor Gericht, als auch bei der SYRIZA-geführten Regierung - hatten keinen Erfolg. Zuletzt hatte Justizminister Nikos Paraskevopoulos angekündigt, erst ab September gäbe es Raum im normalen Gerichtskomplex im Zentrum Athens.
Zur Zeit findet das Verfahren im direkt an das größte Gefängnis des Landes angeschlossenen Sondergerichtssaal von Korydallos statt. Die Anlage liegt jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft zum örtlichen Schulkomplex. Lehrkräfte und Eltern fürchten daher um die Sicherheit der Schüler, insbesondere da an den Verhandlungstagen faschistische Aufmärsche und antifaschistische Gegenkundgebungen zu erwarten sind.
So hatten sich am zweiten Prozesstag am vergangenen Mittwoch bereits in den frühen Morgenstunden zahlreiche Antifaschisten und Gewerkschafter vor Ort eingefunden. Unter anderem hatte das außerparlamentarische Linksbündnis ANTARSYA dazu aufgerufen, »massenhaft und konstant Präsenz zu zeigen«, damit der Prozess »zu eine Bühne für die Stimme der Bewegung und der Opfer der rassistischen und faschistischen Angriffe« werde.
Bei den Protesten wurde ein junger Mann auf dem Weg ins Fitnessstudio angegriffen, weil er für einen Faschisten gehalten wurde. Im Gerichtsaal selbst kam es zu Turbulenzen, als die Mutter des im September 2013 von einem Mitglied der Goldenen Morgendämmerung ermordeten Pavols Fyssas versuchte, sich dem Mörder ihres Sohnes zu nähern, um ihn zu fragen, wie er es fertiggebracht hat, ihrem Sohn ein Messer ins Herz zu rammen.
In der Sache war man dagegen keinen Schritt weiter gekommen. Einer der noch verbliebenen 68 Angeklagten - der 69. war bereits vor Verfahrensbeginn verstorben, der 70. ist noch minderjährig und soll in einem getrennten Verfahren vor Gericht gestellt werden - hatte finanzielle Probleme geltend gemacht und um einen Pflichtverteidiger ersucht. Diesem aber muss Zeit gegeben werden, sich in die mehrere tausend Seiten umfassenden Akten einzuarbeiten. Aufgrund derselben Verzögerungstaktik war bereits der Verhandlungsauftakt am 20. April vertagt worden.
Viele der Angeklagten sind gar nicht erst erschienen, die meisten sind nicht (mehr) in Untersuchungshaft. Dies gilt auch für die Führungsriege der in der Anklage als kriminelle Vereinigung bezeichneten Partei. Nach dem Mord an Pavlos Fyssas waren alle 17 damaligen Parlamentarier, darunter auch Parteichef Nikos Michaloliakos festgenommen worden. Bis zum Prozessbeginn war jedoch die zulässige Höchstdauer von 18 Monaten Untersuchungshaft abgelaufen.
Ein Ausschluss der angeklagten Abgeordneten aus dem Parlament wäre nur mit einem Urteil im laufenden Prozess möglich. Bis dahin bleiben die der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und teilweise der Verstrickung in Mordanschläge beschuldigten Chrysi-Avgi-Abgeordneten unangetastet. Sie werden sogar von der Parlamentspräsidentin unterstützt. Die Juristin Zoi Konstantopoulou (SYRIZA) zweifelte bereits die Rechtmäßigkeit von Abstimmungen an, bei denen den damals noch inhaftierten faschistischen Parlamentariern von der Staatsanwaltschaft die Fahrt ins Parlament verweigert worden war. Die demokratischen Regeln des Parlaments müssten auch für die Feinde der Demokratie gelten, so Konstantopoulou.
Während Chrysi Avgi in Umfragen unverändert bei etwa 7 Prozent liegt, haben ihre faschistischen Schlägerbanden an Stärke eingebüßt. Nach Angaben des »Netzwerks für die Dokumentation rassistischer Gewalt« ist die Zahl der Angriffe der Neofaschisten im letzten Jahr deutlich zurückgegangen. 2014 belief sich die Zahl der gemeldeten Übergriffe noch auf 81, denen etwas über 100 Menschen, hauptsächlich dunkelhäutige Migranten und Homosexuelle zum Opfer gefallen waren. Sowohl den Rückgang der Angriffe als auch eine zunehmende Bereitschaft, Angriffe anzuzeigen, führt das Netzwerk auf die Ermittlungen von Polizei und Justiz zurück, die zum derzeitigen Mammutverfahren geführt haben.
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