Sendepause für Besseresser

Der Spartensender RTL Nitro zeigt jetzt einen TV-Ableger des Hochglanzmagazins für Karnivoren, »Beef!«

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Ach, wir Männer haben’s nicht leicht. Weil Frauen effizienter, smarter, fleißiger, empathischer, also zukunftstauglicher sind, gelten die Herren der Schöpfung nicht nur auf dem Arbeitsmarkt von morgen als Verlierer von gestern. Jungs daddeln zu viel, lernen zu wenig, essen zu schlecht, das vor allem. In einem Werbespot für belegtes Fertigbaguette ohne Nährwert, Stil und Geschmack etwa werden selbst junge Hipster als Neandertaler gezeigt, die für Functional Food Gesundheit, Anstand, Respekt opfern. Männer sind halt archaische Gestalten, rückständig, überholt, von vorvorgestern. Und wo zeigt sich das besonders? Am Grill!

Dorthin stellt sich am »Herrentag« der »Männersender« RTL Nitro und feiert ab Mittag acht Stunden lang pure Fleischeslust. Herzstück des Thementags zum Angrillen: »Beef!«, Ableger des teuren Hochglanzmagazins, der vorab zeigt, wo der Hammer hängt. »Er behandelt das Fleisch wie eine junge Braut«, tönt es aus dem Off, als der Bräutigam im Trailer ein Riesenstück davon zeigt - und dabei fröhlich mit seiner Metzgerhand verhaut. Vielleicht nimmt frau da von der Hochzeit doch besser Abstand wie Vegetarier von dieser Sendung.

Dabei ist die gedruckte »Beef!« trotz 81 Prozent Männeranteil kein Mackerblatt. Für zehn Euro bietet Gruner + Jahr seit 2009 alle vier Monate feinsten »Food Porn«: Kreative Küche für kluge Köpfe mit Geld. Essen wird darin eher als Kunst dargestellt und nicht als Sättigungsbeilage: edel arrangiert und grobkörnig fotografiert, als atme das Papier den Duft von Kobe-Rind mit Rosmarin. Und das setzt sich auf dem Bildschirm fort. So gestrig Nutzviehkonsum 2015 auch wirkt - Moderator Steffen Wink, der als Schauspieler zum Stammpersonal mittelprächtiger Reihenunterhaltung zählt, lässt das Gegenteil von vulgärer Kantinenkost auftischen.

Wie beim Familienvater daheim sei Massenware aus tier- wie menschenverachtender Produktion »absolut tabu«. In der Tat wird die luxuriöse bis bodenständige Zubereitung exotischer bis rustikaler Gerichte bei allem Männlichkeitskult so inszeniert, dass dem Ganzen oft ein anderer Geist innewohnt. Der Redaktion, das zeigt die aktuelle Druckversion zum Thema Lamm ebenso wie ein Sonderheft namens »Selber Wursten«, gehe es um »Qualität statt Quantität«, möglichst biologisch-dynamisch.

Vor allem aber geht es um Quote, klar. »Beef!« versorgt eine Zielgruppe lustiger Hedonisten mit leicht gehobenem Anspruch, die sich den üppigen Kioskpreis nicht leisten kann (oder will) und mit der Bevormundung durch grüne Besseresser ihre Probleme hat. Deshalb verströmen Papier und Flatscreen neben dem Aroma drapierter Kräuterzweige auf marmoriertem Iberico-Schwein auch das Gefühl, einer aussterbenden Spezies die letzten Jahre des Genusses zu versüßen. Gewohnheitsmäßige Tierverbraucher werden schließlich in absehbarer Zeit die PS-Narren, Raucher, Atomkraftfreunde von heute sein: suchtgesteuerte Egoisten fernab des Zeitgeistes, deren Erkenntnisstand eben ein wenig hinterherhinke.

Ihnen empfiehlt Wink, ihr atmendes, lebendes Essen in spe mal eigenhändig zu erlegen oder zumindest einer leibhaftigen Schlachtung beizuwohnen. »Wer diese Realität nicht aushält«, so der durchtrainierte Naturbursche, »sollte auf Fleisch verzichten«. Nur, wer wie er schon mal Kängurus gejagt und Hausschlachtungen gesehen hat, mache sich bewusst, »dass da ein Tier für uns stirbt«. Und das verdiene Respekt. Ein Respekt, den »Beef!« bei aller Genusssucht vermitteln möchte.

Aber keine Sorge: So richtig echte ganze Kerle dürfen Durchschnittszuschauer trotzdem sein, wenn sie ihr Gemüse mit riesigen Fleischlappen erschlagen. Bloß den Liebstöckel nicht vergessen, sonst riecht es schnell nach Supermarktregal.

Beef!, erste Folge diesen Donnerstag, 19.50 Uhr, danach freitags um 22.20 Uhr.

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