»Dragopoly« mit dem Bund
LINKE fordert Rücknahme der Klage gegen Tempelhof-Schöneberg
In Sachen Dragonerareal in Kreuzberg versucht Berlin, über den Bundesrat den Verkauf der bundeseigenen Immobilie an den Höchstbietenden zu verhindern, und die Bima wehrt sich gegen den Versuch des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, die Wohnhäuser in der Großgörschen-/Ecke Katzlerstraße per Vorkaufsrecht zu erwerben.
Wie berichtet hat die Bima, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) untersteht, Klage gegen Tempelhof-Schöneberg eingereicht. Sie will damit die »gerichtliche Überprüfung der Rechtsfehlerfreiheit« des bezirklichen Vorkaufsbescheids erreichen, so ein Sprecher. Die Bima wollte die 48 bundeseigenen Wohnungen, die in einem Schöneberger Milieuschutzgebiet liegen, zum Höchstpreis von 7,8 Millionen Euro an einen Investor verkaufen. »Wenn sich dieser Kaufpreis rentieren soll, bestehe die Gefahr der Verdrängung durch Luxussanierungen oder der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen«, sagte die Stadträtin für Stadtentwicklung, Sibyll Klotz (Grüne).
Statt der 7,8 Millionen will der Bezirk deshalb nur den Verkehrswert zahlen, den er mit 6,3 Millionen Euro ermittelt hat. Sein Vorkaufsrecht will er zugunsten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag ausüben. Dagegen geht der Bund jetzt vor. »Dieses Beispiel zeigt erneut, wie wichtig eine gemeinwohlorientierte Reform der Liegenschaftspolitik des Bundes ist«, sagte die Haushaltsexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch. Sie forderte den Bundesfinanzminister zum Einschreiten auf. »Finanzminister Schäuble muss gegenüber der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unverzüglich dafür sorgen, die Klage gegen das Land Berlin zurückzunehmen«, so Lötzsch. Ihre Fraktion habe den Vorgang auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses am 20. Mai setzen lassen. Dort will die LINKE beantragen, dass das Finanzministerium die Rücknahme des Klageantrags erwirkt. »Es ist nicht hinnehmbar, dass Bima und Bundesfinanzministerium gegen die Interessen der Mieter und Mieterinnen handeln«, erklärte Lötzsch.
In ihrem Auftrag hatte bereits der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten das Vorgehen des Bezirks gestützt. Demnach können Gemeinden in Milieuschutzgebieten ihr Vorkaufsrecht ausüben und den Kaufpreis anpassen, »wenn dieser den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet«. Der Bezirk muss also nicht den während des Bieterverfahrens hochgetriebenen Preis bezahlen, sondern nur den Verkehrswert.
Auch die Mieter der Schöneberger Häuser fordern die Bima auf, ihre Klage zurückzuziehen. »Es kann nicht angehen, dass eine Bundesbehörde eine Kommune anklagt, weil diese ihre lokale Wohnbevölkerung im Rahmen einer Erhaltungssatzung schützen will.«
Das Dragonerareal in Kreuzberg will der Bund zum Höchstpreis von 36 Millionen Euro verkaufen, Berliner kommunale Wohnungsunternehmen waren mit Geboten von etwa 20 Millionen Euro abgeblitzt. Im Bundesrat machte sich Berlin daraufhin gegen den Verkauf stark und konnte eine Vertagung erreichen. Die Entscheidung fällt nun wahrscheinlich Ende Juni. Anwohner übten sich jetzt schon mal bei einem nicht ganz neuen Spiel: Bei »Dragopoly« zahlen Mieter alles.
Dass sich diese Streitfälle auf die derzeitigen Verhandlungen des Senats mit der Bima über den Ankauf von 4660 bundeseigenen Wohnungen auswirken, fürchtet der Senat offenbar nicht. »Das sind völlig verschiedene Geschichten«, heißt es aus dem Haus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.