Barcelona kann als Meister auf eine historische Saison hoffen
Barça krönt sich bei Atlético Madrid zum neuen spanischen Champion
Lionel Messi kam am Sonntagabend als erster Barça-Spieler in die Mixed-Zone, aber nicht um sich irgendwelchen Fragen zu stellen, sondern nur weil dies auch der kürzeste Weg zum Mannschaftsbus war. Überflüssig erachtete Wege sind sein Ding auf dem Spielfeld so wenig wie überflüssig erachtete Worte danach. Wortlos und schnellen Schrittes durchmaß er die wenigen Meter, um sich draußen von den zahlreichen Barça-Anhängern mit Messi-Sprechchören feiern zu lassen. Schließlich war er einmal mehr der entscheidende Mann auf dem Platz und erzielte nach einem schönen Doppelpass mit dem für den angeschlagenen Luis Suárez spielenden Pedro mit exquisiter Ballbehandlung und platziertem Linksschuß das einzige Tor im sonnendurchfluteten Vicente Calderón bei Atlético Madrid.
Allzu oft dürfte der FC Barcelona in diesem Stadion aus den 60er Jahren nicht mehr auflaufen. Der Abriss ist zwischen der Stadt und dem Verein fest beschlossene Sache. Vielleicht schon zur Rückrunde der kommenden Saison zieht Atlético aus seinem angestammten Arbeiterviertel im Südwesten in das im Umbau befindliche Olympiastadion im Nordosten. Noch aber gibt es in dem an der Stadtautobahn gelegenen Stadion mit zwei offenen Seiten Fußballerlebnisse der traditionelleren Art. Vergleichsweise wenig Werbung und dafür als Vorspiel Beschallung mit Rockmusik. Das Vicente Calderón füllt sich aber erst in den letzten Minuten vor Spielbeginn richtig. Davor wird sich in den umliegenden Bars mit Tapas und Bier gütlich getan. Von der Haupttribüne aus lässt sich sogar ein Blick auf den Río Manzanares werfen, der vergangenen November in die Schlagzeilen geriet, weil darin ein Ultra von Deportivo La Coruña ertrank. Vorangegangen war eine Straßenschlacht zwischen »linken« Ultras aus La Coruña mit Rechtsradikalen von der »Frente Atlético«. Am Sonntag blieb es friedlich, Atlético und Barça eint traditionell die Abneigung gegen Real Madrid.
Fast genau vor einem Jahr, am 17. Mai 2014, hatte Atlético Madrid durch ein 1:1 im Camp Nou den FC Barcelona entthront, dem ein Sieg zur Titelverteidigung genügt hätte. Nun stand am 17. Mai 2015 dieselbe Partie mit veränderten Vorzeichen an. Von Revanche wollte zumindest Trainer Luis Enrique schon vorab nichts wissen – lediglich von einer schönen Gelegenheit, den ersten von drei möglichen Titeln einzuheimsen. Der Jubel rund um die Auswechselbank nach dem Führungstreffer in der 65. Minute, dem auf beiden Seiten vergebene Möglichkeiten mit einem Chancenplus von Barça vorangegangen waren, sprach Bände. Schließlich wäre Real Madrid bei einem Punkteverlust von Barcelona wieder im Rennen gewesen.
Während der anschließenden Pressekonferenz sprach Luis Enrique von einer herausragenden Saison mit einem starken Rivalen. Die 108-19 Tore und 93 Punkte nach 37 Spielen toppen zwar nicht alles was es bisher gab, gehören aber zu den besten Werten, die eine Mannschaft in Spanien bisher aufzubieten vermochte. Dazu gehören auch die 114 Saisontore in allen Wettbewerben des lateinamerikanischen Sturmtrios Messi, Suárez und Neymar, die noch vier hinter Ronaldo, Benzema und Higuaín liegen, die 2012 für Real Madrid 118 Treffer erzielten. Aber »el tridente« (Dreizack) hat ja in den drei anstehenden Spielen noch Aufholpotenzial. Erst im Ligaausklang samt gezügelter Meisterfeier am kommenden Sonntag im heimischen Camp Nou gegen Deportivo La Coruña und dann am 30. Juni und 6. Juni in den beiden Finals: Zuerst geht es im heimischen Camp Nou im Königspokal gegen die Basken von Atlético Bilbao, dann die Woche drauf im Berliner Olympiastadion gegen Juventus Turin um den Titel in der Champions League.
Barça gilt jeweils als Favorit, doch das zählt nicht. »Wir sind dabei, uns darüber klar zu werden, dass es eine historische Saison werden könnte, dass wir etwas erreichen können, was erst einmal in der Vereinsgeschichte gelang. Aber es wird nicht einfach.« Die Worte stammen von Luis Enrique und mit dem Triple würde er es seinem Freund Pep Guardiola gleichtun: Der schaffte das in seinem ersten Jahr 2009 und danach nie wieder. Luis Enrique ist in seinem ersten Jahr als Cheftrainer bei Barcelona weit gekommen, wenn er sich an Guardiola messen kann.
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