Vom Wendland-Bräu bis zur Widerstands-Party

In der Region um Lüchow-Dannenberg wird noch bis Pfingstmontag zur 26. Kulturellen Landpartie geladen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 1989 öffnen Künstler und Handwerker im Wendland ab Himmelfahrt bis Pfingstmontag ihre Höfe und präsentieren ihre Arbeiten: Es ist die größte Veranstaltungszyklus dieser Art in Deutschland.

Die täglichen Harfenkurse in der Zeetzer Mühle kosten zehn Euro oder wahlweise einen Sack trockenes Brennholz. Das Angebot gehört zum Standardprogramm der Kulturellen Landpartie im Wendland, die dieses Jahr zum 26. Mal stattfindet. Am Himmelfahrtstag wurde sie eröffnet. Bis zum Pfingstmontag gibt es im östlichsten Teil Niedersachsens in 110 Orten mehr als 500 Ausstellungen sowie 700 Konzerte, Aufführungen und Lesungen. Fast 800 Künstler und Kunsthandwerker wirken dabei mit.

Die Kulturelle Landpartie ist damit der bei weitem größte Veranstaltungszyklus dieser Art in Deutschland. Insbesondere für gestresste Städter hält die Landpartie zahlreiche Angebote zur körperlichen wie seelischen Entspannung bereit. Therapeuten und Musiker offerieren in Gärten und Scheunen Reiki und Massagen, indianischen Gesang oder einfach »kreative und meditative Augenblicke am Waldesrand«.

Es gibt Kurse für nahezu alles und jeden. Das Bogenschießen kann ebenso erlernt werden wie Zaubertricks. Interessierte können an Wildkräuterwanderungen teilnehmen oder in den urigen Rundlingsdörfern an Workshops für Goldschmiedekunst und Glasblasen. Im Veranstaltungszentrum »Elbvielharmonie« in Hitzacker gibt es alternative Konzerte, auf einem Hof in Salderatzen kann man sich im »offenen Chorsingen« probieren. Und in Bülitz wiederum können am 23. Mai wieder Interessierte beim Workshop »Pferde verstehen« ein »kleines Huf-Diplom« erwerben - Snack und Getränke inclusive.

An den meisten Ausstellungs- und Veranstaltungsorten werden die Besucher mit Kuchen und Spezialitäten aus der Region versorgt, mit fangfrischem Aal aus der Elbe etwa, mit Lammbraten oder Wildschweinbratwurst vom Grill. In Kussebode gibt es jeden Tag eine Führung durch die kleine, vom Greenpeace-Mann Mathias Edler betriebene Brauerei, die mit großem Verkaufserfolg heimisches »Wendland-Bräu« herstellt. Vielerorts können die Gäste Malern und Bildhauern in ehemaligen Ställen bei der Arbeit zusehen sowie Theater und Musik in alten Scheunen erleben. Bio-Bauern zeigen bei Hofführungen, wie Schweine gehalten und Kartoffeln oder Getreide angebaut werden.

Für die meisten Aussteller bringt die Landpartie einen Großteil ihres Jahreseinkommens, auch die Übernachtungsbetriebe können zehn Tage lang »ausgebucht« an ihre Häuser schreiben. Bis zu 50 000 Besucher erwarten die Veranstalter bis zum Pfingstwochenende.

Obwohl in den meisten Orten provisorische Parkplätze ausgewiesen sind, kommt es auf den schmalen Dorfstraßen bisweilen zum Stau. Dann müssen Clowns mit bunten Staubwedeln zur Verkehrslenkung einschreiten. Schon deshalb empfiehlt es sich dringend, die »Wunde(r)punkte« genannten Ausstellungsorte mit dem Rad abzufahren. Etwa auf jenen Strecken, die im 346-Seiten-Programm für die Landpartie empfohlen werden. Das »Reisebegleiter« genannte Heft listet auch die Fahrradverleihe und Reparaturwerkstätten in der Region auf.

Die Kulturelle Landpartie geht auf die Proteste der Bevölkerung des Landkreises Lüchow-Dannenberg gegen Atomanlagen zurück. Nach den ersten großen Demonstrationen in Gorleben zogen in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Kulturschaffende aus Großstädten ins Wendland. Auch die diesjährige Landpartie rückt den Anti-Atom-Protest in den Mittelpunkt. Am Freitag vor Pfingsten bleiben die meisten Ausstellungsorte geschlossen, Veranstalter und Gäste treffen sich stattdessen zu einer »Kulturellen Widerstands-Party« an den Gorlebener Atomanlagen. Während der ganzen Landpartie zeigt das Gorleben-Archiv in dem Dorf Breese in der Marsch die Plakat-Ausstellung »40 Jahre Widerstand«.

Informationen zum Programm unter: www.kulturelle-landpartie.de

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