Experten für Entschädigung sowjetischer Kriegsgefangener
Einhellige Unterstützung für Anträge von Grünen und Linken bei Anhörung im Bundestag / Historiker: Entschädigung müsse »so schnell wie irgend möglich« erfolgen / Nur noch 2.000 bis 3.000 Überlebende
Berlin. Grüne und Linkspartei erhalten für ihre Forderung nach Entschädigung der überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen einhellige Unterstützung von Experten. Bei einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestags am Montagabend sprachen sich alle sechs geladenen Sachverständigen für eine Entschädigung aus. Schätzungen zufolge könnten noch 2.000 bis 3.000 Betroffene in den Genuss einer späten Wiedergutmachung kommen.
Unter den Opfern des Nationalsozialismus waren gefangene Angehörige der Roten Armee nach den Juden die zweitgrößte Gruppe. Etwa drei Millionen von insgesamt mehr als fünf Millionen starben an Hunger, Krankheiten und Entkräftung. Zehntausende wurden von Wehrmacht und SS erschossen.
Historiker sehen dahinter ein rassenideologisch motiviertes Kalkül der NS-Machthaber. Das Schicksal der sowjetischen habe sich insofern von dem der Kriegsgefangenen aus westlichen Ländern unterschieden. Bei der Entschädigung ehemaliger osteuropäischer Zwangsarbeiter durch die im Jahr 2000 gegründete Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« wurden Kriegsgefangene ausgeklammert. Antragsberechtigt waren nur jene ehemaligen Rotarmisten, die in Konzentrationslager verschleppt worden waren.
Eine erste Bundestagsinitiative, nun auch die Überlebenden dieser Gruppe generell zu entschädigen, scheiterte vor knapp zwei Jahren an der damaligen Mehrheit von Union und Liberalen. Im vorigen Herbst setzten zunächst die Grünen, dann die Fraktion der Linken das Anliegen erneut auf die Tagesordnung. Während die Grünen »einen individuellen Anerkennungsbetrag für das erlittene NS-Unrecht in Höhe von 2.500 Euro« fordern, spricht sich die Linksfraktion für eine Wiedergutmachung in Höhe von 7.670 Euro aus.
Wichtiger als die Summe einer symbolischen Entschädigung sei, dass sie »so schnell wie irgend möglich« erfolge, sagte der Historiker Christian Streit. »Man muss damit rechnen, dass die Zahl der Betroffenen täglich abnimmt. Wenn das irgendeine Wirkung haben soll, muss schnell gehandelt werden.« Rolf Keller von der »Stiftung niedersächsische Gedenkstätten« erklärte, die sowjetischen kriegsgefangenen seien Opfer spezifischen NS-Unrechts geworden, da die Täter sich primär von rassenideologischen Erwägungen hätten leiten lassen.
Die Heidelberger Osteuropa-Historikerin Tanja Penter erinnerte zudem daran, dass Heimkehrer aus deutscher Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion nicht selten als Verräter diffamiert und in Straflager verschleppt worden seien. Umso wichtiger sei für die Überlebenden eine Anerkennung des Unrechts von deutscher Seite, weil es helfen könne, dieses Stigma nach Jahrzehnten von ihnen zu nehmen.
Der Völkerrechtler Jochen A. Frowein erklärte, dass die Bundesregierung zwar zu Recht die Frage von Reparationen für erledigt halte. Es sei ihr aber unbenommen, durch »einseitige Maßnahmen« Wiedergutmachung zu leisten, nicht zuletzt, da es Betroffene gebe, die bis heute unberücksichtigt blieben. Zu den Anträgen von Grünen und Linken sagte Frowein, er halte »diese Überlegungen für ernsthaft notwendig«. Ein völkerrechtlicher Präzedenzfall könne daraus nicht erwachsen, da das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen so singulär sei, dass daraus keine weiteren Ansprüche abzuleiten seien, sagte der Jurist. nd
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