Schleichender Völkermord
Die muslimischen Rohingya werden in Myanmar systematisch diskriminiert
Zumindest ein paar Tausend Flüchtlinge im Golf von Bengalen sind vorerst gerettet. Indonesien und Malaysia werden 7000 Menschen aufnehmen und versorgen, teilte der malaysische Außenminister Anifah Aman mit. Bei Banda Aceh in Indonesien wurden bereits Hunderte Flüchtlinge an Land geholt.
Die Flüchtlingskrise in Südostasien ist damit längst nicht gelöst. Denn in den kommenden Monaten dürften Tausende weitere Menschen die Flucht über den Golf von Bengalen antreten. Unter den Flüchtlingen sind vor allem Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit. Die Volksgruppe wird in Myanmar unterdrückt und verfolgt. Erst im Frühjahr warnten Forscher des Holocaust-Gedenkmuseums der Vereinigten Staaten in einem Bericht davor, dass den Rohingya »weitere Gräueltaten und sogar ein Genozid drohen«. Der Menschenrechtsaktivist Maung Zarni, der derzeit in Harvard lehrt, spricht von einem »schleichenden Völkermord in den vergangenen 35 Jahren«.
Mehr als 800 000 Rohingya leben in Myanmar. Doch lange Zeit wurde ihr Leid ignoriert. Auch westliche Politiker lobten bei ihren Staatsbesuchen in Myanmar lieber die demokratischen Fortschritte. Wegen der Flüchtlingsströme wächst nun wieder der Druck auf das Land: Malaysias Premierminister Najib Razak sagte, die Flüchtlinge würden aus Myanmar fliehen wegen »innerer Probleme, in die wir nicht eingreifen können«.
Auch wenn die Rohingya seit Generationen in Myanmar leben, verweigert die Regierung ihnen die Staatsbürgerschaft. 2012 und 2013 kam es sogar zu Hetzjagden. Die Organisation Human Rights Watch spricht von »ethnischen Säuberungen«, bei denen über 200 Rohingya getötet wurden. Seitdem leben rund 140 000 Rohingya zusammengepfercht in Lagern oder fliehen von dort über das Meer. Vergeblich fordern Menschenrechtsorganisationen seit Jahren, die Rohingya als Staatsbürger anzuerkennen. »Burmas diskriminierendes Staatsbürgerschaftsrecht verhindert nicht nur die Anerkennung der Rohingya als Staatsbürger, sondern befeuert auch systematische Menschenrechtsverletzungen«, sagt Brad Adams, Asien-Chef von Human Rights Watch.
Doch für Myanmars Regierung sind die Rohingya illegale Einwanderer aus Bangladesch. Sie nennt die Volksgruppe auch nicht Rohingya, sondern Bengali. Dabei kamen viele Rohingya bereits vor über 150 Jahren nach Myanmar. Zuletzt sagte die Führung Myanmars ihre Beteiligung an dem für den 29. Mai geplanten Flüchtlingsgipfel so gut wie ab. Man nehme nicht teil, wenn auch nur das Wort »Rohingya« erwähnt werde.
Immerhin will sich das Land nun an humanitärer Hilfe beteiligen. Dass sich das Leid der Rohingya in Myanmar bald lindert, ist jedoch nicht abzusehen. Sogar Aung San Suu Kyi, die 1991 den Friedensnobelpreis erhielt, ergreift nicht Partei für sie. »Es ist Sache der Regierung, sich um das Thema zu kümmern. Sie sollten besser die Regierung fragen«, sagte sie Lokalreportern in der Hauptstadt Naypyidaw. Die Vorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei hat politische Ambitionen. Ende dieses Jahres wird vermutlich ein neues Parlament gewählt.
Angesichts des Einflusses der Volksheldin wird diese Position verurteilt. »Es ist höchste Zeit, dass sie ihr Schweigen zum Schicksal der Rohingya bricht«, sagt etwa Phil Robertson, stellvertretender Asien-Chef von Human Rights Watch. Doch das könnte sie wichtige Stimmen kosten, meint Lex Rieffel, Politikwissenschaftler an der Brookings Institution in New York. »Der Grad an Islamfeindlichkeit ist für Außenstehende kaum zu glauben.«
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