Kein Haus, kein Auto, kein Boot
Die Grünen wollen Kunden vor undurchsichtigen Scoringwerten schützen
Ob Hauskredit, Heimwerkerbedarf oder Handy – wer sich Geld leihen, im Internet per Rechnung bestellen oder einen Vertrag abschließen will, braucht eine gute Bonität. Dafür reicht es nicht, im besten Anzug beim Bankberater zu erscheinen. Geschäfte, Geldinstitute und Unternehmen holen sich Auskünfte zur Kreditwürdigkeit ihrer Kunden bei anderen Unternehmen, deren Geschäft das Sammeln und Auswerten von Daten ist. Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa, Creditreform oder Bürgel erstellen einen sogenannten Scoringwert, der zwischen 0 und 100 Prozent liegt. Die Verbraucher erfahren nur auf Anfrage, welche Daten über sie gespeichert sind. Selbst dann wissen sie nicht, wie sich der Wert zusammensetzt – das sei Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien, urteilte der Bundesgerichtshof Anfang 2014.
Kritik am Vorgehen der Auskunfteien kommt von Verbraucherschützern, Netzaktivisten und der Bundestagsopposition. Am Freitag reichte die Grünen-Fraktion einen Gesetzentwurf ein, der die Probleme zusammenfasst und sechs Änderungen am Bundesdatenschutzgesetz fordert. Das Scoring habe einen großen Einfluss auf das Geschäftsleben der Menschen, sagte Renate Künast, verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion. Deshalb müsse das Verfahren »transparent und nachvollziehbar« gemacht werden. Konkret forderte Künast, diskrete Daten wie Wohnort, Postleitzahl, Geschlecht oder Religion nicht mehr in die Berechnung einzubeziehen. Die Auskunfteien müssten zudem jährlich und kostenlos von sich aus alle Bürger über gespeicherte Daten informieren. Wichtig sei drittens, so Künast, Klarheit über die Gewichtung der Daten und die Speicherfrist zu schaffen. Unternehmen sollten die Bürger auch vorab informieren, wenn sie Daten an andere Firmen verkaufen. Im Entwurf werden zudem eine bessere Kontrolle der Auskunfteien durch Behörden und eine schnelle Löschung negativer Daten gefordert.
Gerade der letzte Punkt stellt für viele Verbraucher ein Problem dar: Nach Begleichung offener Schulden oder einem abgeschlossenen Privatinsolvenzverfahren können sie nicht darauf hoffen, dass die Auskunfteien schnell vergessen. Drei Jahre blieben die Daten nach Erbringung einer Restschuld gespeichert und führten zu negativer Kreditwürdigkeit, bestätigte Stephan Mayer (CSU). Den Einwand der anwesenden Grünen-Abgeordneten, dass man in dieser Zeit dann nicht einmal einen Handy-Vertrag abschließen könne, konterte Mayer mit der Bemerkung, es gebe ja Prepaid-Handys ohne Vertrag.
Das sogenannte Geoscoring bringt ebenfalls viele Kunden in die Bredouille: So kann die möglicherweise wenig zahlungskräftige Nachbarschaft dazu führen, dass der im Internet gekaufte Fernseher per Vorkasse bezahlt werden muss. Auch andere »weiche Daten« wie Alter, Familienstand oder Nationalität spielen wohl eine Rolle bei der Berechnung der Scoringwerte. Die Auskunfteien verneinen zwar, dass solche Angaben einfließen – hunderte Beschwerden und Hilfsgesuche von Verbrauchern bei den Verbraucherzentralen sprechen jedoch eine andere Sprache. Jedes Jahr sammeln die Auskunfteien 250 bis 300 Millionen Daten.
Als Verbraucher kann man einmal jährlich kostenlos seine Daten abfragen. Dazu muss aber erstens klar sein, wer alles Daten haben könnte. Zweitens seien die Auskünfte, die die Kunden bekommen, »oft unverständlich und nicht nachvollziehbar«. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz im Dezember veröffentlichte Studie. Die Autoren fordern mehr Aufsicht über Auskunfteien. Scoringverfahren müssten staatlich geprüft werden. Ähnlich äußerten sich die Verbraucherschutzminister der Bundesländer kürzlich: Sie forderten von der Bundesregierung ein Verbot des Geoscorings und ein zentrales Auskunftsregister für Verbraucher.
Der Entwurf der Grünen, der von der LINKEN unterstützt wird, hat dennoch keine Chance auf Verwirklichung. Ende Juni, so die einhellige Meinung von Union und SPD, werde die Grundverordnung der EU beschlossen, die den Datenschutz länderübergreifend vereinheitlichen soll. Da müsse man vorher nicht das deutsche Datenschutzgesetz ändern, sagten Mayer und sein SPD-Kollege Gerold Reichenbach. Der Entwurf wurde in den Innenausschuss verwiesen.
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