Fälschungsanschuldigung gegen Russland nicht haltbar
Recherchegruppe wirft Russland Fälschung von Satellitenbildern vor / Bildanalyse wird jetzt in Frage gestellt
Es ist die Art von Nachricht zur Ukrainekrise, die in den großen Medien lange erwartet und dann fast bejubelt wird: »Moskau fälschte Satellitenbilder vom MH17-Abschuss« (FOCUS). Am Montag konnte man diese Überschrift so – oder so ähnlich - in allen großen Medienportalen von Tagesschau bis Spiegel lesen.
Hintergrund der Meldung: Die Recherchegruppe Bellingcat untersuchte die von Russland vorgelegten Satellitenbilder, mit denen das russische Verteidigungsministerium den Abschuss des MH17-Fluges der Malaysian Airline durch eine ukrainische Flugabwehrrakete beweisen wollte. Bellingcat kam nach einer »forensischen Untersuchung« zu dem Schluss, dass Russland mehrere dieser Bilder mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop manipuliert hätte.
Zweifel an dieser Analyse der Rechercheplattform wurden am Mittwoch gleich von mehreren Medienjournalisten geäußert. So erörtert Stefan Niggemeier auf seinem Blog, warum die von Bellingcat vorgebrachten Belege nicht stichhaltig seien.
Photoshop-Bearbeitung: Sagt nichts über Fälschung aus
Unter anderem machte Bellingcat die Fälschung daran fest, dass die Metadaten der Fotos eine nachträgliche Bearbeitung mit Photoshop anzeigen würden. Niggemeier führt aus, dass diese Bearbeitung nicht automatisch auf eine Fälschung hinweise. Schon die Aufbereitung der Fotos für die Pressepräsentation, darunter das Versehen der Bilder mit erklärenden Beschriftungen, werde als Photoshop-Bearbeitung in den Metadaten festgehalten.
Auch der digitale Bild-Forensiker Jens Kriese weist im Interview mit Spiegel online darauf hin, dass Russland vermutlich nicht so fahrlässig wäre, ausgerechnet Photoshop für die Bildfälschung zu verwenden und dann nicht einmal die Metadaten zu säubern. Die Nachrichtendienste würden vermutlich bessere Fälschungsverfahren kennen.
Fehlerstufenanalyse ELA: Subjektives Verfahren
Kritisiert wird außerdem die von Bellingcat angewandte Fehlerstufenanalyse »Error Level Analysis« (ELA), mithilfe derer sie nachweisen wollen, dass Russland in die Bilder nachträglich Wolken eingefügt habe – eventuell um unliebsame andere Bildinhalte zu verdecken. In Spiegel Online stuft Jens Kriese dieses Verfahren als »nicht streng wissenschaftich und subjektiv« ein und bezeichnet es als »Hobby-Methode«.
Das von Bellingcat für die Analyse benutzte Tool ist die Seite fotoforensis.com, die von dem Computerwissenschaftler Neal Krawetz gegründet wurde. Dieser twitterte am Montag, die Bellingcat-Analyse sei ein Beispiel dafür, »wie man Bildanalyse nicht durchführen solle« (»how not to do image analysis«).
Vergleich der Satellitenbilder mit Google Earth: Unzuverlässig
Als weitere Fehlerquelle der Bellingcat-Analyse führt Niggemeier den Vergleich mit Google Earth an. Bellingcat argumentierte, dieser Vergleich beweise, dass die russischen Satellitenbilder zu einem anderen Zeitpunkt als angegeben entstanden sein müssen. Man braucht nicht erst die Einschätzung eines Medienspezialisten, um zu wissen, dass die Google Angaben zu den Google Earth-Daten unzuverlässig sind.
Medienkrieg und Bildbearbeitung
All diese Hinweise auf unwissenschaftliche Verfahren und fehlerhafte Schlüsse der Bellingcat-Analyse zeigen, dass sie keine zuverlässige Untersuchung der russischen Satellitenbilder zum MH17-Absturz darstellt. Wie schnell einige der meistgenutzen Medien hierzulande trotzdem auf diesen Zug augesprungen sind, ist Ausdruck der Krisensituation, in der sich die Ukraine und mit ihr die EU und Russland befinden. Ebenso ist es aber Ausdruck der Probleme medialer Berichterstattung in Zeiten varoufakischer Stinkefinger und professioneller Bildbearbeitungsprogramme. Unklar bleibt, ob die Bilder des russischen Verteidigungsministeriums nun manipuliert wurden oder nicht - und wer die Maschine des Malaysia-Airline-Flugs MH17 abgeschossen hat. Klar ist nur, dass der Krieg in der Ukraine weiter von einem Medienkrieg begleitet wird. ek
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