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Perspektiven der Digitalen Revolution

Das »zweite Maschinenzeitalter« stellt die gesellschaftliche Linke vor vollkommen neue Fragen und Herausforderungen. Ein Veranstaltungshinweis

  • Lesedauer: 6 Min.

Das »zweite Maschinenzeitalter« stellt die gesellschaftliche Linke vor vollkommen neue Fragen und Herausforderungen. Darum suchen wir nach Antworten auf die Frage, wie Linke auf diese technologische Entwicklung reagieren sollten. Denn die Antworten auf die Frage »Wie werden wir leben, wie wollen wir leben?« müssen wir im Hier und Jetzt finden.

Darüber will die Emanzipatorische Linke Berlin in Kooperation mit dem berlinxxnet mit Anne »@SeeroiberJenny« Helm, Bezirksverordnete in Neukölln und bis Herbst 2014 in der Piratenpartei sowie Shaked »@sshaked« Spier, LAG Netzpolitik Die Linke Berlin und den Teilnehmenden am Freitag, den 19. Juni ab 19 Uhr in der Greifswalder Straße 220, 10405 Berlin diskutieren.

Moderiert wird die Veranstaltung von Julia »@_JuliaSchramm« Schramm [5], Fachreferentin für Hate Speech bei der Amadeu Antonio Stiftung und Redakteurin bei no-nazi.net.

»Während im «Ersten Maschinenzeitalter», beginnend mit der Dampfmaschine, fortgesetzt mit der Elektrizität und dem Verbrennungsmotor, die Energiegewinnung potenziert und auf vielfältige Weise die menschliche und tierische Muskelkraft ersetzt und verfeinert wurde, würden die digitalen Technologien die Denkkraft, die geistige Tätigkeit ersetzen und verfeinern. Die Entwicklung der digitalen Produktionsmittel hat mittlerweile die gesellschaftliche Produktivkraft des Menschen über einen kritischen Punkt getrieben. Nicht mehr einzelne Sektoren und Tätigkeiten werden umgewälzt, sondern die neue Basis-Technologie erfasst die Produktions- und Konsumweise.«

Was bedeutet es, wenn sich durch Digitalisierung, nicht nur die der Arbeit, sondern die Welt allgemein gravierend verändert? »Die anhaltend exponentielle Weiterentwicklung der Computertechnologie, die immer größer werdende Menge an nutzbaren Daten (nicht nur für Überwachung) und die treibende Innovation durch Neukombination von Erfindungen «sorgen für Durchbrüche, die Science Fiction zum Alltag machen und dabei selbst unsere jüngsten Erwartungen und Theorien in den Schatten stellen», schreiben Brynjolfsson und McAfee in «The Second Machine Age».«

Selbst fahrende Autos, humanoide Roboter, 3D-Drucker

Fakt ist, dass Digitalisierung, Robotisierung und künstliche Intelligenz »die Art, wie wir leben und arbeiten revolutionieren [werden]. Gentechnik und Nanotechnologie verändern den Menschen selbst. Die Revolution der Informationstechnologien hat vorgeführt, wie rasant disruptive Innovationen ganze Industrien umwälzen«. Fakt ist aber auch, »dass im Zuge der Digitalisierung der Industrie einfache Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden könnten.« Die gesellschaftliche Linke muss sich offensiv der Erkenntnis stellen, dass »selbstfahrende Autos, humanoide Roboter, 3D-Drucker und so fort nicht etwa schon die Krone der digitalen Schöpfung, sondern erst der Anfang unseres neuen Lebens [sind].«

Derzeit geht diese Entwicklung einher mit dem Entstehen eines »digitalen Prekariats«. Über dieses schreibt Sebastian Strube: »Arbeit wird nicht mehr in Billiglohnländer outgesourct, sondern an all die Menschen, die sich im Internet herumtreiben – an die Crowd. Im Netz entsteht dadurch ein neuer Niedriglohnsektor, der die Art, wie wir arbeiten, so stark verändern könnte, wie einst die Erfindung des Fließbands vor knapp 100 Jahren. Auf der Plattform Mechanical Turk von Amazon etwa schuften hunderttausende AkkordarbeiterInnen aus 190 Ländern oft für zwei bis drei Euro pro Stunde. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland viele Firmen mit ähnlichen Angeboten. Das neue digitale Prekariat hat praktisch keine Rechte und verdient wenig.«

Demgegenüber steht die Utopie der gesellschaftsverändernden Kraft, nicht nur, des 3D Druckers. »Mit ihm gibt es ein universelles Produktionsmittel, das aus den vielfältigsten Materialien dezentral alles Mögliche herstellen kann, nach oft frei verfügbaren Designs, unter Wegfall umweltschädlicher Logistik und ohne Produktionsabfälle«.

Die Linke hingegen der Entwicklung noch hinterher

Beides ist richtig und beides muss in die Diskussion der gesellschaftlichen Linken über die Perspektiven der Digitalen Revolution einfließen. So muss zum Beispiel diskutiert werden, ob das Ersetzen einfacher Tätigkeiten durch Maschinen zu begrüßen und zu unterstützen, oder maschinenstürmerisch zu bekämpfen ist.

Kernpunkt der Diskussion ist hier die Frage »Muss wirklich jede, durch Robotik und Digitalisierung freiwerdende Stelle vollständig ersetzt werden«? Ist das Verschwinden von stupiden, den menschlichen Körper hochgradig verschleißenden, Erwerbsarbeitsplätzen etwas Positives oder eine Fragwürdige Utopie? Für einen Teil der Linken ist die Vorstellung, dass Computer in der Pflege eingesetzt werden »eine fragwürdige Utopie«. Andere Linke hingegen finden, dass die Perspektive, dass Rücken zerstörende Hebearbeiten in der Pflege zukünftig durch Roboter erledigt werden, eine positive Entwicklung darstellt, die es zu fördern und zu unterstützen gilt. In der Unternehmenslobby und in Teilen der Politik wird unter Schlagwörtern wie Industrie 4.0 oder neue Automatisierung bereits über die politische und gesetzgeberische Begleitung der laufenden technologischen Revolution diskutiert.

Die gesellschaftliche Linke hingegen hinkt dieser Entwicklung noch hinterher, sie »hat die Digitalisierung schnell als Herausforderung erkannt - aber der Begriff, den sie sich von der Entwicklung macht, ist zu begrenzt.« Die Begrenztheit hat auch etwas damit zu tun, dass die Entwicklung der digitalen Produktionsmittel unterschiedlich gesehen wird. So ist die Diskussion oftmals geprägt von einer Verklärung dieser Entwicklung auf der einen und einer Mischung aus Ablehnung und Abstinenz auf der anderen Seite.

Perspektiven der Digitalen Revolution

Die digitale Revolution eröffnet neue Welten und sprengt alte Dimensionen. In ihr steckt das Potential nie gesehenen gesellschaftlichen Reichtums aber auch der offenen und subtilen Beseitigung von Rechten sowie von Kriegen ungekannter Bösartigkeit. Und genau diese Äquivalenz macht es notwendig die Digitale Revolution und ihre Folgen zu zu Begreifen und in ihrer Totalität zu erfassen. Auf all die aus daraus entstehenden Fragen hat keine ernstzunehmende Partei bisher schlüssige Antworten gefunden.

Ja, im Gegenteil: Oftmals haben sie nicht einmal die richtigen Fragen gestellt, die es ihnen ermöglicht, sie zu verstehen. Auch Linke begegnen der Digitalen Revolution oft mit Skepsis. Einzelne schwadronieren z.B. kulturpessimistisch von Menschen, die »vor lauter Twittern keine Zeit mehr haben Bücher zu lesen«, statt zukunftsorientiert die Fragen nach den Möglichkeiten für Demokratie, Bildung oder Arbeitswelt, die sie bietet zu stellen. So finden sie jedoch keine Antworten, wie die Ergebnisse der Digitalen Revolution der Menschheit nützen und der Kapitalverwertungslogik entzogen werden können.

Das in diesem Zusammenhang als »Lösungsansatz« propagierte Verstaatlichen des Internets, von Google, Youtube, oder Facebook usw. zeigt, dass oft das tiefere Verständnis für die Digitalisierung der Gesellschaft fehlt, und wird so Zeugnis der eigenen Hilflosigkeit.

Dies alles zeigt: Es gibt Bedarf an einer zukunftsorientierten und kulturoptimistischen, einer grenzenlosen und solidarischen Politik, die die Chancen der digitalen Revolution aufgreift. Nehmen wir sie an und stellen uns der Herausforderung, zu definieren, »wie demokratischer Sozialismus im digitalen Zeitalter aussieht.«

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