Schlecht getarnte Insiderentscheidung

Kritik an Kampeters Wechsel zum Arbeitgeberverband

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach dem angekündigten Wechsel des CDU-Finanzpolitikers Steffen Kampeter in die Spitze des Arbeitgeberverbandes BDA wird neben wohlwollenden Stimmen auch Unmut laut.

«Er ist eine hervorragende Wahl.» Mit diesen Worten hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wohlwollende Zustimmung kundgetan, nachdem Steffen Kampeters Absichten am Dienstag öffentlich geworden waren. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium will neuer Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände werden. Kampeter soll am 24. Juni zum Nachfolger von Reinhard Göhner gewählt werden, der nach fast 20 Jahren aufhört.

Das Lob fiel Gabriel auch deshalb leicht, weil Kampeter die Frist von 12 bis 18 Monaten einhält, die die Bundesregierung für den Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft eingeführt hatte. Seine neue Stelle tritt Kampeter zum 1. Juli 2016 an; schon in den nächsten Wochen will er den Posten bei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgeben. Und das, obwohl das Gesetz noch nicht in Kraft ist. Bundestagsabgeordneter will Kampeter allerdings noch ein Jahr lang bleiben, was in Pressekommentaren als leichte Eintrübung einer ansonsten sauberen Lösung interpretiert wurde.

Dass Kampeter bis quasi zum letzten Moment Abgeordneter bleiben will, ist nur ein Grund, weshalb sich nicht alle Sozialdemokraten ihrem Parteichef Gabriel anschließen. Eine Karenzzeit von 12 Monaten reiche nicht aus, meint der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, der Mitglied der Parlamentarischen Linken der SPD ist. Nach nur einem Jahr seien die politischen Kontakte und das Insiderwissen nicht genügend «abgekühlt», macht Bülow in einer Erklärung deutlich. Er stellt überdies fest, dass nunmehr ein beträchtlicher Teil des letzten Kabinetts in der Wirtschaft oder bei Verbänden untergebracht sei. «Dies ist ein unhaltbarer Zustand, denn die Bürger bekommen zu Recht den Eindruck, dass ein Regierungsmitglied als Volksvertreter nur seinen Job in der Wirtschaft vorbereitet und damit noch anfälliger für Lobbyinteressen ist.» Bülow verweist auf 21 Regierungsmitglieder, die zwischen 2008 und 2015 die «Seiten gewechselt» haben, darunter etwa Staatsminister Eckart von Klaeden, heute Cheflobbyist bei Daimler, Gesundheitsminister Daniel Bahr, heute Generalbevollmächtigter bei der Konzerntochter Allianz Private Krankenversicherung, Ronald Pofalla, Chef des Kanzleramtes und heute bei der Deutschen Bahn.

Auch der Haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion Roland Claus hatte den Wechsel verurteilt. Er zeige «unmissverständlich, dass die Politik der CDU/CSU direkt und unverhohlen mit den Interessen der Arbeitgeberseite verknüpft und verbandelt ist.» Das seien keine guten Nachrichten für die Demokratie«, so Claus. Timo Lange von LobbyControl kritisierte nicht nur Kampeters Seitenwechsel, sondern auch den vorliegenden Gesetzentwurf. Seine Organisation fordert eine dreijährige Karenzzeit und will dies auf einer Anhörung im Bundestag am Montag erneut begründen.

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