Atempause für de Maizière
Verteidigungsausschuss mit neuen Zweifeln gegen Ministerin von der Leyen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist nicht zu beneiden. Am Mittwoch war er gleich vor zwei Ausschüsse des Bundestages zitiert worden - vor den Verteidigungsausschuss sowie den sogenannten Edathy-Untersuchungsausschuss, der den Vorwürfen des Geheimnisverrats gegen Mitglieder der Großen Koalition im Zusammenhang mit der Kinderpornografie-Affäre des einstigen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy nachgeht. In einem davon, dem Verteidigungsausschuss, der sich mit dem Standardgewehr der Bundeswehr befasst, weil das G36 in brenzligen Situationen angeblich schmählich versagt, schwingt der Vorwurf gegen de Maizière mit, als Verteidigungsminister habe er dieses Problem unterschätzt und ignoriert. Der Minister bestreitet dies natürlich und hält das G36 für eine respektable Waffe.
Kurz vor seiner Aussage im Ausschuss hatte die Medienwelt allerdings einen Skandal im Skandal ausgemacht, der de Maizière aber auch keine Erleichterung verschaffen dürfte. Der Militärische Abschirmdienst MAD sei der Weitergabe von vertraulichen Informationen aus dem Verteidigungsministerium an Journalisten nachgegangen, hieß es - und rief damit die höchste denkbare Stufe auf der Empörungsskala im Berliner Politikbetrieb aus. In einer Antwort des Verteidigungsministeriums an den Linksabgeordneten Michael Leutert vom Mai dieses Jahres hatte dieses allerdings jedwede Ermittlungen und Untersuchungen des Militärischen Abschirmdienstes im Zusammenhang mit dem G36 verneint. Nun seien diese jedoch bewiesen, behauptete der »Spiegel« unter Berufung auf einen Beamten, der als Fachmann mit dem G36 zu tun gehabt habe. Der MAD habe demzufolge 2011 nach den Tippgebern eines Journalisten gefahndet und diese auch gefunden.
Das Ministerium ließ den Mann noch am Mittwoch dazu befragen. In einer ersten Reaktion hieß es dann, dass es sich nach bisherigen Erkenntnissen um eine »Einzelwahrnehmung« handele, die sich bisher weder aus den Akten noch durch Befragungen belegen lasse. Über das Protokoll der internen Anhörung Ende vergangenen Jahres zu den Zweifeln an der Treffsicherheit des G36 berichtete am Mittwoch auch die »Süddeutsche Zeitung«. 2011 habe ein Journalist von einer Besprechung über das G36 beim damaligen Logistikamt der Bundeswehr erfahren. 2013 hat der MAD dagegen Ermittlungen gegen Journalisten, die der Waffenhersteller Heckler & Koch gefordert hatte, jedoch abgelehnt. Der heutige Bundesinnenminister scheint bisher wenig betroffen, doch die Vorwürfe um den MAD fallen durchaus auch in seine Amtszeit. Dennoch wurde seine Aussage zur Verantwortung im G36-Hickhack am Mittwoch mit weniger Spannung erwartet als die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Der LINKE-Politiker Jan van Aken zeigte sich sicher: »Es deutet alles darauf hin, dass der MAD tatsächlich eingesetzt worden ist, dass er eingesetzt worden ist, um Journalisten auszuspähen.« Die Grünen forderten von der Leyen auf, die widersprüchlichen Aussagen zur Rolle des MAD aufzuklären. »Von der Leyen muss hier heute erklären müssen, ob sie uns die Unwahrheit gesagt hat, dass der MAD nicht eingeschaltet wurde, oder ob sie falsch vom MAD informiert worden ist.« Brugger forderte erneut einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Vor einigen Wochen hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angeordnet, alle 167 000 G36 der Bundeswehr auszumustern oder nachzurüsten. De Maizière hilft dies freilich nicht. Mit Agenturen
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