Der Flirt mit links ist vorbei

Mehrheit der Schweizer entschied sich gegen eine reformierte Erbschaftsteuer

  • Steffen Klatt, Zürich
  • Lesedauer: 3 Min.
Kapitalismuskritik war den Schweizern nur kurzzeitig sympathisch. Linke Vorschläge haben bei Volksabstimmungen keine Chance mehr. Nun hat es auch die moderate Erbschaftssteuer getroffen.

Das Ergebnis war deutlich: 71 Prozent der Stimmberechtigten und alle Kantone lehnten am Sonntag den Vorschlag einer bundesweiten Erbschaftssteuer ab. Am höchsten war der Ja-Stimmenanteil noch in Basel-Stadt, wo 41 Prozent der Stimmenden den Vorschlag annahmen. Besonders hoch war die Ablehnung ausgerechnet in den französischsprachigen Kantonen der Westschweiz, die sonst oft linken Vorschlägen zustimmen.

Dabei war die Vorlage moderat: Besteuert werden sollten nur Erbschaften über zwei Millionen Franken (1,9 Millionen Euro) und auch nur zu einem Steuersatz von 20 Prozent - wenig im Vergleich zu anderen westlichen Ländern wie Deutschland, die 30 Prozent verlangen. Zusätzlich betroffen wären zudem nur die direkten Nachkommen der Erblasser - für die anderen gelten schon heute kantonale Erbschaftssteuern. Zudem deuteten die Initiatoren an, dass sie im Gegenzug einer großzügigen Befreiung von Betriebsvermögen kleiner und mittlerer Unternehmen zustimmen würden. Die Einnahmen aus der reformierten Steuer sollten zudem für das Rentensystem der Schweiz verwendet werden, die sogenannte AHV - ein völlig unumstrittenes Sozialwerk.

Die Initiatoren um die Sozialdemokratische Partei, die Grünen und die Gewerkschaften holten sich sogar internationale Prominenz zur Unterstützung. Thomas Piketty, Pariser Wirtschaftsprofessor und intellektueller Vorkämpfer gegen Ungleichheit, unterstützte im Namen der Steuergerechtigkeit den Schweizer Vorschlag. »Es gibt denn auch keinen Grund, dass jemand, der 100 000 oder 500 000 Schweizer Franken verdient, viel Steuern zahlt, während jemand, der fünf oder zehn Millionen Franken erbt, überhaupt nichts zahlt«, sagte er in einem Interview für den Gewerkschaftsbund.

Doch gegen die finanzkräftige Kampagne der Wirtschaftsverbände und der bürgerlichen Parteien - sie sollen zehn Millionen Franken zur Verfügung gehabt haben - kamen die Initiatoren nicht an. Ihre Argumente beherrschten die Medien ebenso wie die Plakatwände. Sie stellten den Vorschlag als zusätzliche Belastung gerade für kleinere Unternehmen in einer Zeit dar, in der der harte Franken die Geschäfte belastet. Die neue Steuer würde die Standortqualität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz beschädigen, sagte etwa Heinz Karrer, Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Entsprechend begrüßte der Verband am Sonntag das klare Ergebnis: »Die Schweizerinnen und Schweizer haben sich nicht von einer Scheinlösung für die AHV täuschen lassen.«

Die Niederlage der Linken war absehbar gewesen. Der kurze Flirt der Schweiz mit den Kapitalismuskritikern ist vorbei, der Ärger über verantwortungslose Banken und überzogene Managerlöhne verflogen. Noch vor anderthalb Jahren war die »Abzockerinitiative« angenommen worden, welche den Lohnexzessen in den Chefetagen Einhalt gebieten sollte. Doch seither haben es die Linken schwer. So wurden Vorschläge für längere Ferien ebenso abgelehnt wie eine Begrenzung der höchsten Löhne auf das Zwölffache der niedrigsten.

Inzwischen muss die Linke sogar damit rechnen, dass der rechte Flügel der Bürgerlichen - die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) und die rechtsliberalen Freisinnigen (FDP) - bei den Wahlen im Oktober die Führung im Parlament übernehmen. Dabei geht es nicht nur um Sitze im Parlament. In der nächsten Legislaturperiode wird die künftige Energiepolitik ebenso festgezurrt wie die Sanierung des Rentensystems. SVP und FDP streben nach einem Sieg im Oktober auch den Ausstieg aus dem Atomausstieg an. Das Abstimmungsergebnis der letzten Volksabstimmung vor den Wahlen dürfte ihnen Hoffnung machen.

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