Paternoster für alle!

Von Jürgen Amendt

  • Lesedauer: 3 Min.

Wir müssen noch mal über das leidige Thema Paternoster reden. Wie regelmäßige Leser dieser Zeitung wissen, verfügt auch das Gebäude, in dem sich die Redaktionsräume des »nd« befinden, über ein solches, amtlich als »Personenumlaufaufzug« bezeichnetes Transportmittel. Dank der deutschen Sozialdemokratie in Person der Arbeitsministerin Andrea Nahles ist damit seit Kurzem Schluss. Die »Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen«, die am 1. Juni in Kraft trat, hat auch den Paternoster in unserem Haus stillgelegt.

Vor wenigen Tagen blickte ich in ein paar traurige Kulleraugen, die der Tochter meiner Nachbarin gehörten. Die fragte mich, ob ihre Tochter, »die so gern einmal Paternoster fahren möchte«, den selbigen im »nd« benutzen könne. Dies in der Annahme, dass das »sozialistisch« in der Unterzeile des nd-Zeitungstitels mit links und daher mit rebellisch gleichzusetzen sei, ergo das »nd« heldenhaft gegen die Nahles’sche Regelwut opponiert und den Paternoster niemalsnicht stillgelegt hat.

Doch ich musste Mutter wie Tochter enttäuschen. Wir sind und bleiben Lampenputzer! Und so ist die deutsche Sozialdemokratie abermals schuld daran, dass kleine Kinder traurig sind. Die »Agenda 2010« war wohl nicht genug!

Es gibt aber Hoffnung. Seit einigen Tagen wird von einer hausinternen Arbeitsgruppe mit dem Namen »Paternoster für alle« die Wiederinbetriebnahme vorbereitet. Auf folgende Regelungen hat sich die AG verständigen können:

1. Für die Benutzung des Paternosters ist künftig ein sogenannter Paternosternutzungsberechtigungsschein erforderlich. Die Ausgabestelle wird im siebten Stock eingerichtet.

2. Vor Verlassen des Paternosters ist mindestens eine Rundfahrt durch den Dachboden und den Keller zu absolvieren.

3. Kinder und Personen mit Behinderungen, die auf Gehhilfen (z.B. Rollatoren) angewiesen sind, haben bei der Beförderung Vorrang.

4. Das Hinein- und Hinauswerfen von Gegenständen, Kindern, Rollatoren ist nur dann gestattet, wenn die Kabine die Etage schon deutlich passiert hat (ca. Höhe einer Treppenstufe).

5. Hängen Absperrseile vor den Paternosterzugängen, dann sind diese vor dem Betreten der Kabine zu entfernen. Dies muss solange wiederholt werden, bis die über den Paternoster Aufsicht führende Person, die versucht, das Betreten der Fahrkörbe durch das Anbringen von Absperrseilen zu verhindern, vor Erschöpfung aufgibt.

6. Um die Paternosteraufsichtsperson bei Laune zu halten, sollte in regelmäßigen Abständen (mindestens einmal am Tag) der rote Halteknopf in den einzelnen Etagen gedrückt werden. Das in diesem Fall ertönende Hupsignal kann von Kindern mit entsprechendem musikalischem Talent als Gelegenheit für einen spontanen Rap-Gesang genutzt werden.

Übrigens: Meine Nachbars᠆tochter kann den Tag gar nicht mehr erwarten, an dem sie mich in der Redaktion besuchen kann.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -