Duell der Nervösen
Deutsche Tischtennisspielerinnen gewinnen Mannschaftstitel der Europaspiele
Für die Gastgeber lief es perfekt. Als am Montagvormittag der dritte Wettkampftag dieser Europaspiele begann, verwiesen die einheimischen Medien auf ihren Internetseiten in ihren Überschriften voller Stolz auf den Medaillenspiegel. An deren Spitze hatte sich eine gemeinhin eher unauffällige Sportnation gesetzt: Aserbaidshan.
Sechs Exemplare der fingerdicken Baku-2015-Goldmedaillen waren bereits Aseri-Karateka und -Ringern um den Hals gehängt worden. So viele hatten zwar bis dahin auch Russlands Sportler von Ehrengästen wie IOC-Mitglied Sergej Bubka oder Staatspräsident Ilham Aliyev schon überreicht bekommen, die Athleten aus dem Gastgeberland rangierten aber mit zwei Silbermedaillen vor den Russen im Ranking, die bis dahin nur eine errungen hatten.
Dass bei diesen Spielen unter 20 Sportarten im Programm gleich sechs Kampfsportarten sind, darunter das nichtolympische Karate und Sambo, ist sicherlich ein Entgegenkommen des Europäischen Olympischen Komitees an die Ausrichter der Spiele gewesen. Besser hätten es sich wohl auch die britischen PR-Spindoctors der Spiele kaum ausdenken können: Pünktlich zum Tag der nationalen Auferstehung, der jedes Jahr am 15. Juni begangen wird, verschafften die Sportler Aserbaidshans dem Land Relevanz auf europäischem Level, zumindest in der Binnensicht.
Schon seit 1997 wird hier der Feiertag begangen, der an die Wahl des Präsidenten-Vaters Heydar Aliyev am 15. Juni 1993 in den Obersten Sowjet Aserbaidshans erinnert. Seither regieren die Aliyevs das Land autokratisch, seit dem Tod des »Vaters der Nation« hat dessen Sohn Ilham die Macht im Land übernommen. Aserbaidshan ist damit die einzige Dynastie in einem der Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Im Baku Sportpalast direkt an der Strandpromenade »Bulvar«, der ebenfalls noch aus Sowjetzeiten stammt, für die Spiele aber runderneuert wurde, feierten die Deutschen gestern die eine von gleich drei Goldmedaillen: Die deutschen Tischtennisspielerinnen konnten sich im Finale des Teamwettbewerbs gegen die Niederlande knapp mit 3:2 durchsetzen. 1700 Zuschauer fasst die Halle nach dem Umbau, höchstens die Hälfte der Plätze war aber besetzt, als die Favoritinnen aus Deutschland gleich zu Anfang des Endspiels ins Straucheln gerieten. Die sonst so zuverlässige Han Ying verlor gleich das Auftakteinzel klar mit 0:3. Danach aber lief es nach Plan, es gab Siege durch Shan Xiaona - im Einzel und im Doppel mit Petrissa Solja. Als Han Ying dann zum fünften und entscheidenden Match gegen Britt Eerland antrat, wurde es noch einmal spannend.
»Ich war super-nervös, ich war klare Favoritin und durfte nicht verlieren«, beschrieb es Han Ying später. Doch als sie gesehen habe, dass ihre holländische Konkurrentin noch nervöser sei und nach dem ersten Aufschlagfehler sogar Schwierigkeiten beim Ballauflesen hatte, habe sie die Ruhe wiedergefunden, so die die 32-Jährige: »Sie war ja noch aufgeregter als ich.«
Mit einem klaren Dreisatzsieg sicherte Han der deutschen Europameisterauswahl letztlich den Sieg. »Waren wir nun die ersten deutschen Goldmedaillengewinner?« fragte Petrissa Solja nach der Siegerehrung. Die Anwesenden verneinten: Schon anderthalb Stunden zuvor hatten die Kanusprinter im 375 Kilometer von Baku entfernten Mingachevir zwei Siege feiern können: Max Hoff im Kajak und Sebastian Brendel im Canadier-Einer.
Als es am Montag in Baku Abend geworden war, herrschte an der Spitze des Medaillenspiegels wieder etwas mehr gewohnte Ordnung. Russland führte nun mit neun Goldmedaillen vor Aserbaidshan (7), Türkei (4) und Deutschland (3). Am Dienstag könnte sich dieses Klassement deutlich verändern. An diesem Tag fallen die meisten Medaillenentscheidungen überhaupt in Baku: 21.
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