Gegner räumen Minen gemeinsam

Kolumbiens Regierung und FARC-Guerilleros zeigen ihren Willen zur Abkühlung des Konfliktes

  • Lesedauer: 4 Min.

Haben Regierung und FARC einen Durchbruch bei den Verhandlungen zur Beseitigung der Minen in Kolumbien erreicht?
Ja, denn der Pilotplan sieht vor, in zwei Regionen des Landes gemeinsam Minen zu räumen. Das ist ein Novum.

Wo liegen diese beiden Regionen?
Die eine im Verwaltungsbezirk Meta, die andere im Departamento Antioquia. Dort werden Räumungsteams gebildet, die nach internationalen Standards die Minen beseitigen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Abkühlung des Konflikts - angesichts der Wellen von Polemik, mit denen die FARC und die ELN in den letzten Wochen bedacht wurden. Die Regierung hat energisch appelliert, reale Gesten der Verständigung und des Friedenswillens zu zeigen. Das hat gefruchtet. Wir glauben, dass das der Weg ist, um die Eskalation des Konflikts zu vermeiden und ein gutes Signal für alle Menschen, die in derartigen Gebieten leben - bis heute mit den Minen und hoffentlich bald ohne.

Zur Person

Rafael Alfredo Colón Torres ist Direktor der »Dirección contra Minas Antipersonales«, der Abteilung gegen Personenminen. Die ist direkt dem Präsidenten Juan Manuel Santos unterstellt und kümmert sich sowohl um die Registrierung der Opfer als auch um die Räumung von Minen. Der 54-Jährige ist General im Ruhestand und leitet seit Januar das Programm. Mit ihm sprach für »nd« Knut Henkel.
 

In der Theorie klingt das sehr gut, aber wie soll das in der Praxis funktionieren. Vertrauen zwischen Armee und FARC dürfte doch sehr dünn gesät sein?
Das Pilotprojekt ist ein Mittel, um Vertrauen zu säen. Der direkte Kontakt miteinander und den Gemeinden bei der gemeinsamen Überprüfung von Angaben, wo Minen liegen könnten, ist sicherlich ein guter Ansatz. Gemeinsam räumen heißt auch, gemeinsam ein Camp zu bewohnen und gemeinsam zu arbeiten. Armee, Regierungsvertreter und FARC-Guerilleros werden am gleichen Ort sein. Künftig ist den Gemeinden bei einem Plan zu helfen, wie sie wieder friedlich leben, ihr Land bestellen und zivile Grundrechte zurückerlangen können.

Hat die FARC Pläne, wo sie die Minen vergraben hat?
Wer die Minen gelegt hat, weiß auch, wo sie liegen. Aber die Dynamik des Konflikts hat auch dafür gesorgt, dass sich die Guerilleros heute ganz woanders befinden können. Folglich kann es sein, dass die FARC nicht immer weiß, wo sich die Minen exakt befinden. Aber es wäre eine große Hilfe, wenn wir konkrete Angaben erhielten, um die professionelle Räumung einzuleiten - die findet unter der Schirmherrschaft der Norwegischen Regierung statt.

Ist es für die Teams auch wichtig, um welche Art von Minen es sich handelt?
Das sind ebenfalls wichtige Angaben. Die FARC weiß natürlich, was sie produziert und verwendet. Wir haben lange untersucht, welche Arten von Minen zum Einsatz kommen, welche Mechanismen sie enthalten und so fort. Aber es hilft zu wissen, welche Typen, wo und in welcher Region verwendet wurden.

In welche Regionen liegen die meisten Minen?
Meta und Antioquia hatte ich bereits erwähnt. Aber Nariño, Putumayo, Caquetá, die Region von Catatumbo, einige Regionen des Chocó, das Valle de Cauca, Santander und der Sur de Bolívia und Tolima gehören dazu. Insgesamt sprechen wir von mehr als 600 Gemeinden, aus denen Minenfunde, Unfälle mit Minen oder der Verdacht auf vermintes Gelände gemeldet wurden. Wir haben in Kolumbien 1102 Gemeinden und alle Verwaltungsbezirke haben ein Minenregister - außer der Insel San Andrés.

Warum nutzen die bewaffneten Akteure Minen?
Sie haben sie gelegt, um Militäraktionen gegen sich und ihre Camps zu unterbinden. Doch immer häufiger wurden auch Gegenden vermint, in denen Zivilisten unterwegs sind. Wir haben landesweit 11 133 Opfer von Minen registriert, davon sind rund 40 Prozent Zivilisten. In diesem Jahr sind unter den 112 bisherigen Minenopfern 41 Zivilisten, auch mehrere Kinder - so zum Beispiel zwei Mädchen in Caquetá. Das ist eine Tragödie, und die Regierung unternimmt Anstrengungen, um weitere Gebiete zu räumen und sich mit der Guerilla zu verständigen.

Bis 2021 soll Kolumbien frei von Minen sein. Ist das realistisch?
Die Räumung der Minen ist ein integrales Programm mit vielen Facetten und umfassender Bedeutung. Ziel ist es, Regionen wieder herzustellen, staatliche Präsenz zu zeigen, Alternativen zum Kokaanbau zu schaffen, das Land wieder den rechtmäßigen Besitzern zukommen zu lassen, es wieder urbar zu machen. Für all das ist die Räumung der Minen eine Voraussetzung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.