Liebe Freund!
Andreas Koristka über großzügige Angebote von freundlichen Geschäftsleuten und Videochats mit hübschen Kanzlerinnen
Das Internet steckt voller Möglichkeiten. Wer sie nutzen möchte, muss nur schnell genug reagieren. Aber leider ist man oft nicht der Erste, der dem umtriebigen südafrikanischen Geschäftsmann Zach Botha 5000 Euro überweist, damit dieser seine Reise nach Europa antreten kann, um einem die »$14 300,00 (vierzehnmillionendreihundert US Dollar)« eigenhändig zu überbringen, die er bei einer »routinen uberprufung in mein bank« gefunden hat. Wenn man schließlich überweist, kann man lange auf eine Antwort vom Kollegen Botha warten, schließlich hat der schon längst die Summe von einem anderen Glücklichen erhalten und bestreitet gerade die beschwerliche Reise von Kapstadt zu dessen Wohnsitz in Grimma-Süd.
Diese Erfahrung haben selbstverständlich auch deutsche Parlamentarier gemacht. Deshalb verwundert es nicht, dass 15 ganz Eilige sofort reagierten, als sie eine Nachricht der Kanzlerin erhielten, in welcher Merkel sie zu einer wichtigen Videokonferenz einlud. Endlich, mögen die Parlamentarier gedacht haben, hatte sich ihre nervenaufreibende Arbeit im Ausschuss »Verkehr und Digitales« gelohnt. Sie waren all die Jahre hartnäckig drangeblieben, hatten für die Nordumfahrung Falkensee gekämpft und - ohne sich da jetzt besonders aufspielen zu wollen - das ein oder andere Dorf in Mecklenburg hatte seinen DSL-Anschluss auch ihrer Arbeit zu verdanken.
Jetzt kam die Belohnung, das kleine geile Kanzlerinnen-Incentive, auf das sie so lange hatten warten müssen. Mit einem Mal standen sie mit den großen dieser Welt in einer Reihe, die Angela Merkel mit ihrer persönlichen Bekanntschaft adelte: mit Barack Obama, dem Papst und Philipp Mißfelder. Wer hätte das gedacht, als sie vor Jahren ihre Ochsentour in Castrop-Rauxel begannen, als sie sprichwörtlich Dreck fraßen auf jedem erdenklichen Bauernmarkt der Region? Jetzt also endlich der Payback! Und man kann nur vermuten wie ihre Augen strahlten, als sie die Betreffzeile lasen: »Hübsche Kanzlerinnen in deiner Nähe erwarten dich im Videochat!«
Doch das Internet steckt nicht nur voller Möglichkeiten, manchmal ist es auch randvoll mit bodenlosen Enttäuschungen. Es stellte sich heraus, dass die Abgeordneten hinterlistig getäuscht wurden. Denn die verheißungsvolle E-Mail stammte nicht von der besten deutschen Regierungschefin seit Gerhard Schröder, sondern von russischen Hackern (Putin). Diese hatten ihren Virus so raffiniert getarnt, dass die Parlamentarier darauf hereinfallen mussten. Nun ist die gesamte IT im Bundestag kaputt. Nichts geht mehr, weder E-Mail-Anhang noch die aufwändig eingespeisten Geburtstagskalender. Es ist das schlimmste Computerunglück seit der Millennium-Bug am Morgen des 1.1.2000 das gesamte Leben des Planeten gnadenlos ausmerzte.
Nun spielen einige den Vorfall herunter. Allerdings muss man im Auge behalten, dass Cyberwar eine ernsthafte Sache ist. Wie es das Wort schon sagt, bleibt auch er ein gottverdammter Krieg. Und in Zeiten, in denen in Syrien und anderswo Millionen Unschuldiger leiden und getötet werden, kann sich die Welt eine zusätzliche militärische Katastrophe wie jetzt im Bundestag geschehen kaum mehr leisten. Umso wichtiger wird es sein, dass wir alle gemeinsam und entschlossen reagieren. Die Zeiten, in denen wir blauäugig jeder E-Mail vertrauten, müssen ein für alle mal vorbei sein. Seien wir wachsam! Nicht jede Gewinnbenachrichtigung über 15 Millionen Euro ist echt, nicht jede Penisvergrößerungspille ihr Geld wert.
Doch vielleicht wird gesunde Skepsis eines Tages nicht mehr genügen, um der Angriffe aus dem Netz Herr zu werden. Schon jetzt diskutiert man in der Union zähneknirschend die Aufhebung des Schengen-Abkommens. Wahrscheinlich wird bald jede Mail an der deutschen Grenze kontrolliert werden müssen. Zu verdanken hätten wir es mal wieder den Feinden der Freiheit: den Russen.
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