Anleihekauf: Linke kritisierten Urteil des EuGH
EZB darf zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen / Gauweiler fordert diplomatische Proteste und spricht von »Kriegserklärung« / Europäischer Gerichtshof: OMT-Programm der Notenbank »überschreitet nicht die währungspolitischen Befugnisse«
Update 13.30 Uhr: Gauweiler spricht von »schwerem Fehlurteil« des EuGH
Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat das Ja des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) als schweres Fehlurteil kritisiert. Gauweiler und Mitkläger Dietrich Murswiek werteten den EuGH-Spruch am Dienstag als schwerwiegende Verletzung der Souveränität der EU-Mitgliedstaaten. Die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts habe der EuGH beiseite gewischt. »Für das Bundesverfassungsgericht ist das Urteil des EuGH eine Kriegserklärung«, hieß es in Gauweilers und Murswieks Presseerklärung. Gauweiler hatte in Karlsruhe gegen das Anleihenprogramm geklagt, das Bundesverfassungsgericht dann den Fall dem EuGH vorgelegt. Der EuGH gebe mit seinem Urteil einen Freibrief für die Umverteilung von Haushaltsrisiken unter den EU-Staaten in Höhe von Hunderten Milliarden Euro, kritisierte Gauweiler. »Er segnet damit die von der EZB bewirkte Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden ab, die es nach dem Willen der Vertragsstaaten nicht geben sollte.« Gauweiler und Murswiek forderten das Bundesverfassungsgericht auf, nun gegen den EuGH vorzugehen. So sollen die Karlsruher Richter die Bundesregierung verpflichten,gegen die Vertragsverletzungen vorzugehen. »Diplomatische Proteste sind das Mindeste, was sofort unternommen werden muss«, hieß es in der Mitteilung.
Update 12.40 Uhr: »Mehr Demokratie«: EZB wird weiter machen was sie will
Nach dem grünen Licht aus Luxemburg für EZB-Anleihenkäufe hoffen die deutschen Kläger nun auf das Bundesverfassungsgericht. Der Verein »Mehr Demokratie«, ebenfalls einer der Kläger, sieht weiten Spielraum für die Notenbank. »Es ist ein Zaun gesteckt, aber ich glaube, dass die EZB den sehr frei und weit stecken kann und doch letztlich macht, was sie will«, sagte der geschäftsführende Bundesvorstand des Vereins, Roman Huber, der dpa. »Ich glaube nicht, dass Karlsruhe das so akzeptieren will.« Die EZB erklärte in einer ersten Reaktion auf das Urteil lediglich, sie begrüße die Entscheidung und werde das Urteil nun analysieren.
Karlsruhe habe »die Möglichkeit zu sagen, dass bestimmte Dinge mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind, selbst wenn sie mit Europarecht vereinbar sein sollten«, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi der Deutschen Presse-Agentur. Die Karlsruher Richter waren 2014 zu dem Schluss gekommen, die EZB habe mit dem Anleihenkaufprogramm OMT von 2012 ihre Kompetenzen überschritten. Nach dem EuGH-Urteil muss das Verfassungsgericht nun auf Grundlage des Luxemburger Urteils eine eigene Entscheidung treffen, ein Termin steht noch nicht fest. Gysi räumte ein, dass der EuGH der Zentralbank Ermessensspielräume beim Kauf von Staatsanleihen gegeben habe. Allerdings müsse die Zentralbank ihr Vorgehen begründen, dürfe damit keine Staatshaushalte finanzieren und müsse Fristen einhalten. »Ein bisschen gottähnlich ist die EZB geblieben, aber sie ist dann doch in ihrer Gottähnlichkeit auch wieder eingeschränkt worden«, so Gysi.
Update 12.20 Uhr: Linker Europaabgeordneter kritisiert EuGH-Urteil
Der linke Europaabgeordnete Fabio de Masi hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB kritisiert. »Mit dem Urteil kann die EZB keine öffentlichen Investitionen, sondern nur Finanzblasen finanzieren. Das ist grotesk«, so De Masi. Die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, habe zwar »die Finanzmärkte beruhigt. Aber während Banken und Börsen gedopt wurden, wird die Realwirtschaft auf Entzug gesetzt«. Der Linkenpolitiker nannte es zudem »verhängnisvoll, dass der Europäische Gerichtshof die Kürzungsdiktate der Europäischen Zentralbank nicht nur bestätigt, sondern sie auch noch zur Voraussetzung der Anleihekäufe erklärt« hat. Er hoffe nun darauf, dass die Bundesverfassungsrichter »auf Konflikt gehen: Denn Karlsruhe hat zumindest immer klar gemacht, dass Finanzpolitik demokratischer Kontrolle bedarf. Daher müssen sie der EZB in den Arm fallen.« Nötig sei »die Finanzierung öffentlicher Investitionen durch die EZB bzw. kurzfristig EU-vertragskonform einen Kauf der Anleihen der Europäischen Investitionsbank. Das ist chirurgisch präziser als besinnungslos Liquidität in den Finanzsektor zu pumpen und neue Finanzblasen zu züchten«, so De Masi.
Update 9.35 Uhr: Die Europäische Zentralbank (EZB) darf zur Euro-Rettung grundsätzlich und unter gewissen Voraussetzungen Staatsanleihen kaufen. Das hat der Europäische Gerichtshof am Dienstag in Luxemburg entschieden. In der Rechtssache C-62/14 urteilten die Richter, ein entsprechendes Programm der Notenbank aus dem Jahr 2012 sei rechtmäßig, urteilten die Richter. »Das Programm überschreitet nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten«, teilte der Gerichtshof mit. Die EZB habe Voraussetzungen eingehalten, etwa durch die Garantie, dass mit dem sogenannten OMT-Programm Staatshaushalte nicht direkt finanziert würden.
Die Richter urteilten unter anderem, dass mit dem OMT-Programm »eines der geldpolitischen Instrumente genutzt wird , die die Unionsverträge vorsehen. Die Verträge gestatten es der EZB und den nationalen Zentralbanken nämlich, auf den Finanzmärkten tätig zu werden, indem sie auf Euro lautende börsengängige Wertpapiere endgültig kaufen und verkaufen. Angesichts seiner spezifischen Merkmale kann das OMT-Programm nicht als eine wirtschaftspolitische Maßnahme eingestuft werden.«
Konkret ging es um den EZB-Beschluss von 2012, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen, um diese zahlungsfähig zu halten. In der Praxis hat die EZB dieses Kaufprogramm mit dem Namen »Outright Monetary Transactions« (OMT) allerdings nie genutzt. Allein die Ankündigung beruhigte die Märkte. Das Urteil gibt der EZB auch Rückenwind für das aktuelle Kaufprogramm, das seit März läuft und mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro monatlich die Konjunktur im gemeinsamen Währungsraum anschieben soll. Mit dem Kauf von Staatsanleihen drückt die EZB die Zinsen des betroffenen Landes, das dann weniger für Kredite zahlen muss und zahlungsfähig bleibt.
EuGH-Urteil über EZB-Ankauf von Staatsanleihen erwartet
Berlin. Alle Augen sind auf Brüssel, Berlin und Athen gerichtet - wegen des Ringens um das von den Gläubigern blockierte Kreditprogramm für Griechenland. Doch am Dienstag fällt der Europäische Gerichtshof (EuGH) auch sein Urteil im Streit um den möglichen Ankauf von Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe durch die Europäische Zentralbank (EZB). Die bislang nicht umgesetzte Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi soll Anleihe-Spekulationen gegen finanzschwache Euro-Staaten verhindern.
Das Anleihenkaufprogramm OMT
Im September 2012 traf der EZB-Rat eine weitreichende Entscheidung: Die Notenbank werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euroländern kaufen, um den Euro zu retten. Geknüpft wurde das Programm »Outright Monetary Transactions« (OMT), das nie genutzt wurde, an bestimmte Bedingungen:
- Die EZB wird nur tätig, wenn das betroffene Land unter einen Euro-Rettungsschirm (EFSF/ESM) geschlüpft ist und folglich strenge Reformvorgaben erfüllen muss.
- Der EZB-Rat kann die Geschäfte jederzeit einstellen, wenn die Ziele erreicht sind oder die Länder Reformen nicht wie vereinbart umsetzen.
- Anders als beim früheren Anleihenkaufprogramm SMP verzichtet die EZB auf eine vorrangige Gläubigerstellung. Das heißt: Ein Schuldenschnitt würde sie genauso treffen wie andere Gläubiger.
- Das Volumen des OMT ist theoretisch unbegrenzt. Die EZB kann die Notenpresse anwerfen und Staatspapiere kaufen.
Dem Urteil wird weitreichende Bedeutung beigemessen, am Dienstagmorgen war im Deutschlandfunk von einem Richterspruch die Rede, der das Verfassungsgefüge der Europäischen Union in ihren Grundfesten betreffe. Auslöser des Streits war die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi im Jahr 2012, die EZB werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um Finanzspekulationen gegen den Euro zu stoppen. Allein diese Ankündigung führte dazu, dass die Renditen zweijähriger spanischer Staatsanleihen damals um mehrere Prozentpunkte zurückgingen. Die Umsetzung des Programms war bislang nicht nötig.
Gegen dieses Aufkaufs-Ankündigung im Rahmen des OMT-Programms klagten der CSU-Politiker Peter Gauweiler, sowie Abgeordnete der Linken und weitere Klägergruppen vor dem Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe legte daraufhin den Fall dem EuGH vor und machte in seinem Beschluss dazu deutlich, dass es den angekündigten Anleiheankauf für möglicherweise verfassungswidrig hält.
Den EU-Verträgen zufolge darf die EZB mit ihrer Geldpolitik zwar Einfluss auf die Entwicklung von Zinsen nehmen, um die Inflation einzudämmen, Deflation zu verhindern und Preise stabil zu halten. Sie darf aber keine eigenständige Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben und Staaten per Notenpresse finanzieren.
Karlsruhe hatte mit Blick darauf in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH betont, dass das OMT-Programm mit dem EZB-Mandat nur dann in Einklang zu bringen sei, wenn Anleihen einzelner Staat »nicht in unbegrenzter Höhe angekauft« werden dürfen.
Der einflussreiche Generalanwalt des Gerichtshofs, Pedro Cruz Villalon, hatte in seinem Schlussgutachten der EZB zunächst den Rücken gestärkt und betont, dass die EZB eine unabhängige und weisungsfreie Institution sei und ihr OMT-Programm verhältnismäßig und zur Stützung des Euro erforderlich. Die Gerichte müssten sich insoweit bei der Kontrolle der EZB-Politik zurückhalten. Wolle die EZB aber das von Draghi bislang nur angekündigte Programm Realität werden lassen, müsse sie eine Reihe von Regeln einhalten, wie sie auch das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte, unterstrich Villalon.
Die EZB muss dann dem Generalanwalt zufolge etwa das sogenannte Verbot der monetären Haushaltsführung beachten, dürfe also Staaten nicht mit der Notenpresse finanzieren. Zudem müssten ihre Eingriffe in den Anleihemarkt verhältnismäßig sein und sie müsse sich aus den Reformprogrammen für jene notleidende Staaten heraushalten, deren Anleihen sie im Rahmen eines OMT-Programms kaufe.
Überdies dürfe die EZB Anleihen nur auf dem Sekundärmarkt kaufen und müsse dabei Fristen einhalten, damit es nicht zu Verzerrungen auf dem Anleihemarkt komme, forderte Villalon. Nach Ansicht des Generalanwalts wäre solch ein Ankauf überdies ein so außergewöhnlicher Schritt, dass die EZB »mit Klarheit und Genauigkeit die außergewöhnlichen Umstände darlegen« müsse, »die diese Maßnahme rechtfertigen«.
Gut möglich, dass der EuGH dies auch so sieht und einer völlig losgelösten EZB-Politik mit Blick auf die demokratische Rückbindung an die nationalen Parlamente Grenzen setzt. Dann müsste das Bundesverfassungsgericht in seinem noch ausstehenden Urteil der Bundesbank die Teilnahme an OMT-Programmen nicht verbieten - und eine drohende Konfrontation zwischen Karlsruhe und Luxemburg bliebe aus. Agenturen/nd
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