Voßhoff bekräftigt Kritik an Vorratsdatenspeicherung
Journalisten: Gesetzentwurf ist ein tiefer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Berlin. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hat ihre Kritik am Gesetzesvorhaben der großen Koalition zur Vorratsdatenspeicherung bekräftigt. Viele Problemfälle und Punkte seien in dem Gesetzentwurf nicht verfassungsgerecht und EU-rechtskonform umgesetzt, sagte Voßhoff am Mittwoch in Berlin. Was nach den gerichtlich auferlegten Einschränkungen noch an Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden übrigbleibt, rechtfertige nicht »einen so massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger«.
Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof hatten weitreichende Vorgaben für die Vorratsdatenspeicherung gemacht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern. Der Bundestag soll im September darüber abstimmen. Die Opposition lehnt das Gesetz entschieden ab, auch in der SPD gibt es Widerstand dagegen.
Voßhoff sagte, die Telekommunikationsunternehmen speicherten bereits jetzt bestimmte Daten zu Abrechnungszwecken. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es eine doppelte Speicherung geben müsse.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte verwies bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts für 2013 und 2014 auf die enormen Aufgaben ihrer Behörde. »Das Datenvolumen, das aus der Digitalisierung des Alltags entsteht, verdoppelt sich im Zweijahresrhythmus«, so Voßhoff. In gleichem Maß, in dem Staaten und Wirtschaft die Chancen daraus erkennen, wachse das Risiko, »das informationelle Selbstbestimmungsrecht kommerziellen Interessen zu opfern«. Sie betonte die Notwendigkeit, ihre Behörde entsprechend der enormen Aufgaben mit mehr Personal auszustatten.
Voßhoff begrüßte die Fortschritte bei den Arbeiten an einer europäischen Datenschutzgrundverordnung. »Sind die Daten global, muss auch der Schutz international sein«, sagte sie. Zugleich forderte sie eine engere Kooperation der drei Kontrollinstanzen für den Datenschutz. Es gehe um die Frage, wie ihre Behörde, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) sowie die G-10-Kommission zur Kontrolle der Inlandsgeheimdienste besser zusammenarbeiten könnten, um Kontrolllücken zu schließen.
Journalisten sieht Informantenschutz in Gefahr
Kritik an der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung kam am Mittwoch auch von Journalistenvertretern. Der Schutz von Informanten werde gefährdet. »Es handelt sich bei dem Gesetz um eine Aushöhlung des Zeugnisverweigerungsrechts der Journalisten«, sagte Ulrich Janßen, Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, am Mittwoch in Berlin. Der Anspruch, die Identität von Informanten geheim halten zu dürfen, sei nicht mehr gewährleistet. Datenschützer fürchten zudem um die Sicherheit der gespeicherten Daten.
Zwar ist die Verwertung der Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Seelsorgern, Anwälten oder auch Journalisten untersagt. Die Erfassung der Daten dieser Berufsgruppen wird jedoch nicht ausgeschlossen.
Angesichts der aktuellen Cyber-Angriffe auf den Deutschen Bundestag oder auch den Anti-Viren-Hersteller Kaspersky sehen Datenschützer auch ein erhebliches Sicherheitsproblem. Zwar sehe das Gesetz vor, dass die Datensicherung hohen Standards entsprechen soll, sagte Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. »Die einzig sicheren Daten sind jedoch die, die gar nicht erst gespeichert werden.«
Zudem wies er darauf hin, dass viele sensible Einrichtungen nicht den Status der Berufsgeheimnisträger erhalten. Dazu zählen etwa Beratungsstellen, die nicht staatlich anerkannt sind. »Daten, die da sind, werden genutzt«, sagte Hülsmann. Er rechnet überdies damit, dass nach dem aktuellen Gesetzesentwurf weitere verschärfende Maßnahmen folgen könnten.
»Die Vorratsdatenspeicherung ist ein tiefer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht«, sagte der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dieter Hummel. Er bezweifelt, dass mit der Datenspeicherung schwere Straftaten verhindert werden können. Der Zeitdruck unter dem an dem Gesetz gearbeitet werde, sei durch nichts gerechtfertigt.
»Wenn gespeichert wird, wer mit wem wann telefoniert hat, schreckt das Hinweisgeber ab«, ergänzte Journalistenvertreter Janßen. »Mit dem Gesetz wird die Unschuldsvermutung in eine Schuldvermutung umgekehrt.« epd/nd
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