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Gelenkte Lecks

Christoph Hochhäuslers Film »Die Lügen der Sieger« beleuchtet die Manipulation von Medien durch Informanten

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Informant ist der Dealer des Journalisten. Wie der Heroin-Pusher lungert er in Tiefgaragen oder Bahnhofstoiletten herum und fixt seinen Kunden an - mit brisanten Informationen, von denen der »Investigativ«-Reporter augenblicklich abhängig wird: Ein aufstrebender »Spiegel«-Jungspund mit heißen »Hintergrund«-Infos über den IS ist in seiner Redaktion schließlich hoch angesehen. Diese Anerkennung will er weiterhin spüren. Also geht er wieder in die Tiefgarage oder aufs Bahnhofsklo und holt sich den Stoff, auf dem sein Ruhm begründet ist. Doch welche Motive hat der Tippgeber?

Der 30 Jahre lang anonyme Watergate-Informant Mark Felt war einst ein hohes Tier beim FBI. Er wird in Allan J. Pakulas Film »Die Unbestechlichen« von den Kollegen der »Washington Post« nach einem Porno-Klassiker »Deep Throat« oder auch »Garagenfreak« genannt. Er brachte US-Präsident Richard Nixon zu Fall. Oder genauer: Er hat die »Post« dazu instrumentalisiert, Nixon zu stürzen. Dafür gebührt ihm einerseits Dank. Andererseits liegt seine (möglicherweise fragwürdige) Motivation im Dunkeln: War der bekennende Hoover-Verehrer tatsächlich »links« und bürgerrechtlich angetrieben? Oder waren seine Indiskretionen eine Rache von »rechts« für Nixons Annäherung an China oder seinen Friedensschluss mit Vietnam? Waren sie gar ein persönlicher Feldzug? Oder zählt ohnehin nur das Ergebnis (Nixon weg) und nicht die Motivation?

Person und Wirkung eines Informanten müssen individuell geprüft werden, blinde Wertschätzung ist naiv. So gibt es große Unterschiede zwischen einem Edward Snowden, dessen Gesicht bekannt ist und der mit seiner Freiheit bezahlt - und jenen oft zitierten anonymen »Kreisen«, die, ohne Beweise vorzulegen, behaupten, die russische Armee stehe vor Kiew oder Griechenland vor dem EU-Austritt.

Man mag sich zunächst freuen, wenn anonyme »Quellen« private und belastende Telefonate des türkischen Präsidenten Recep Erdoğan bei Youtube einstellen. Diese Freude verfliegt aber beim Gedanken an die Motive jener »Korruptions-Bekämpfer«. Die Vermutung, dass hier erzreaktionäre Geheimdienst- und Militärkreise einen zwar zu Recht hoch umstrittenen, vor allem aber konkurrierenden Politiker aus dem Weg räumen wollen, liegt zumindest nahe. Wir wissen, dass Angela Merkels Telefon abgehört wurde. Wollen wir, dass die NSA bei (Eigen-)Bedarf und um die Bundesregierung unter Druck zu setzen, belastende Szenen daraus anonym im Internet verbreitet?

Manchmal werden auch Informanten gegen Informanten in Stellung gebracht. So hat die »Sunday Times« dieser Tage mal wieder »hohe Regierungsquellen« anonym zitiert. Deren »Infos« bzw mutmaßliche Lügen, durch Edward Snowden seien britische Agenten in China aufgeflogen, schafften es gar auf die Titelseite. Glen Greenwald schreibt dazu: »Journalisten (...) halten das von ungenannten, unbekannten Offiziellen Verlautbarte für die heilige Schrift. (…) Das Schöne an dieser Taktik ist, dass die Anschuldigungen nicht überprüft werden können. Die offiziellen Anschuldiger verstecken sich hinter den Journalisten. Die Beweise können nicht analysiert oder zerlegt werden - weil es sie gar nicht gibt.«

Um solcher Art Informanten und ihre potenziell manipulative Macht geht es auch in Christoph Hochhäuslers Film »Die Lügen der Sieger«. Hochhäusler hat vor Glasfassaden und in bevorzugt kahlen, kalten Räumen einen ordentlichen Presse-Krimi gedreht. Selbst die in den meisten Politthrillern zu Klischees erstarrte Redaktionsroutine hat er fast glaubhaft inszeniert.

Am Anfang, bevor die große Hektik losgeht, nimmt sich der Film kurz Zeit: Wir sehen den Reporter Fabian Groys (unter Strom: Florian David Fitz) beim Aufstehen. Fitz ist ein attraktiver junger Mann. Inwiefern es aber der Geschichte dient, dass wir ihn gleich in der ersten Szene nackt sehen, bleibt Hochhäuslers Geheimnis.

Der spielsüchtige und an Diabetes leidende Groys recherchiert für das Hamburger Nachrichtenmagazin »Die Woche« einen Skandal im Umgang mit erkrankten Bundeswehr-Veteranen. Als sein Informant abspringt, schwenkt er auf eine Giftmüll-Geschichte um, die eine ihm zugeteilte Volontärin (rätselhaft: Lilith Stangenberg) bearbeitet. Langsam merkt das ungleiche Duo, dass die beiden Fälle verbunden sind. Parallel wird hinter den politischen Kulissen Berlins um Stimmen für eine Liberalisierung eines Gesetztes zur chemischen Industrie gerungen.

Alles hängt hier mit allem zusammen, und man kann von der Handlung nicht mehr erzählen, ohne die Spannung zu nehmen. Der vorsätzlichen Verwirrung, die Hochhäusler durch zahlreiche Handlungsebenen anrichtet, gibt man sich zunächst gerne hin. Bis zu einem gewissen Punkt, ab dem die inhaltlichen Volten dann empfindlich vom dramatischen Kern der Geschichte ablenken und sie schwächen.

»Die Lügen der Sieger« bleibt trotz dramaturgischer Unzulänglichkeiten über weite Strecken spannend und ist gut gespielt. Auch der zynische Tenor, der »die öffentliche Meinung« als eine vom jeweils mächtigsten Player formbare Ware darstellt, ist angemessen. Es gibt sie mit Sicherheit, die hier beschriebenen Söldner, die sich unbelastet von jeder Überzeugung oder Ideologie für den Bestzahlenden in den Meinungskrieg werfen.

Die Darstellung des Films aber, nach der »die Medien« prinzipiell gutmeinende Institutionen sind, die nur hin und wieder von Interessengruppen hinters Licht geführt werden - selbst also nicht Teil einer solchen Gruppe sind -, erscheint etwas altmodisch. Bei der aktuellen Medienkritik geht es eben nicht um »einzelne Fehler«, wie es in den jüngsten Verteidigungsschriften vieler Redakteure heißt. Kritisiert werden statt dessen die in vielen großen Medien vollzogenen wochenlangen, höchst intensiven Kampagnen, wie wir sie zur Ukraine, zu Griechenland, zum IS oder gegen Streiks erleben mussten.

Dass es solche Gleichförmigkeiten gab und gibt, ist kaum zu leugnen. Wie es praktisch angestellt wird, bei manchen Themen einen fast monolithischen Meinungsstrom in diversen großen Medien zu erzeugen, ist eine andere Frage. Sie muss nicht beantwortet werden, um die Gleichförmigkeit festzustellen. Wer sich dennoch an einer Antwort versucht, sieht sich schnell als Verschwörungstheoretiker verunglimpft. Regisseure könnten sich aber an ihr versuchen - geschützt durch eine »fiktive« Ebene. Hochhäusler, übernehmen Sie!

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